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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Augen, und Herr Timbreo wünschte, daß Herr Girondo mit ihm nach dem Hause des Messer Lionato gehe. Sie gingen daher miteinander in das Haus und fanden Messer Lionato, der soeben mit einigen seiner Verwandten zu Mittag gegessen hatte, von der Tafel aufstehend; als er hörte, daß die beiden Ritter mit ihm sprechen wollten, ging er ihnen voll Verwunderung entgegen und hieß sie willkommen. Die beiden Ritter sahen Messer Lionato und seine Gattin in schwarzen Kleidern; sie fingen bei dieser grausen Erinnerung an Felicias Tod an zu weinen und konnten kaum zu Worte kommen. Es wurden ihnen nun zwei Stühle gereicht; die setzten sich zusammen nieder, und nach einigen Seufzern und tiefen Atemzügen erzählte Herr Timbreo vor allen Anwesenden die klägliche Geschichte, die den bittern und frühzeitigen Tod Fenicias, wie er meinte, veranlaßt hatte; dann warf er sich mit Herrn Girondo auf die Kniee und bat ihre Eltern um Vergebung für dieses Verbrechen. Messer Lionato weinte vor Rührung und Freude, umarmte sie beide liebevoll, verzieh ihnen alle Schuld und dankte Gott, daß er die Unschuld seiner Tochter ans Licht gebracht habe. Nach mancherlei Gesprächen wandte sich Herr Timbreo zu Messer Lionato und sagte zu ihm: »Herr Vater, da das Unglück meinen heißen Wunsch, Euer Eidam zu werden, vereitelt hat, so bitte und beschwöre ich Euch, so dringend ich kann, über mich und das Meinige zu verfügen, als wäre ich wirklich Euer Schwiegersohn geworden: denn ich werde Euch ewig die Ehrerbietung und den Gehorsam erzeigen, den ein liebevoller Sohn dem Vater schuldig ist. Würdigt mich Eurer Befehle, und Ihr werdet finden, daß meine Handlungen meinen Worten entsprechen; denn wahrlich, ich weiß in der Welt nichts, und wäre es auch noch so schwer, das ich um Euretwillen nicht tun wollte.«
    Mit liebreichen Worten dankte der gute Alte dem Herrn Timbreo und sagte endlich: »Da Ihr mir aus gutem Herzen ein so uneigennütziges Anerbieten macht und der Himmel mich Eurer Verwandtschaft nicht für würdig hält, so wage ich es, eine Bitte an Euch zu richten, die ihr mir leicht gewähren könnt. Bei dem Edelmute, der Euch beseelt, und bei aller der Liebe, die Ihr je zu der armen Fenicia trugt, bitte ich Euch nämlich, wenn Ihr Euch dereinst vermählen wollt, mir es gefälligst anzuzeigen, und wenn ich Euch dann eine Gattin gebe, die Euch ansteht, sie aus meinen Händen zu nehmen.«
    Herr Timbreo hielt dafür, daß der bedauernswürdige Greis in Ansehung seines schweren Verlustes hiermit doch nur eine äußerst geringe Entschädigung anspreche, reichte ihm die Hand und entgegnete, ihn auf den Mund küssend, folgendes: »Herr Vater, Ihr verlangt so gar wenig von mir, daß ich mich Euch nur desto mehr verpflichtet fühle. Und um Euch meine Dankbarkeit zu betätigen, will ich nicht nur nie ohne Euer Vorwissen eine Frau nehmen, sondern sogar keiner andern mich vermählen als derjenigen, die Ihr mir empfehlt und zuführt. Dies verspreche ich Euch angesichts aller dieser edeln Herren.«
    Herr Girondo brachte bei Messer Lionato auch seine guten Worte an und stellte sich unbedingt zu seiner Verfügung. Hierauf gingen die beiden Ritter zu Tisch; die Kunde von dem Vorfall aber verbreitete sich alsbald durch Messina, und es wurde jedermann klar, daß Fenicia unverdientermaßen beschuldigt worden war. An demselben Tage noch wurde Fenicia von ihrem Vater durch einen ausdrücklich abgesandten Boten von allem Geschehenen benachrichtigt. Sie war darüber im höchsten Grade erfreut und dankte Gott mit frommem Herzen für ihre wiedererlangte Ehre.
    Etwa seit einem Jahre befand sich jetzt Fenicia auf dem Landgute, wo man sie so geheim gehalten hatte, daß niemand ahnen konnte, daß sie noch lebe. Inzwischen hatte Herr Timbreo in dem vertrautesten Verhältnis zu Messer Lionato gelebt, und dieser unterrichtete nun Fenicia von seinem Vorhaben und bereitete in der Stille alles vor, was zu dessen Ausführung gehörte. Fenicia war unterdessen über allen Glauben schön geworden; sie hatte eben ihr siebzehntes Jahr erreicht und war so groß geworden, daß sie niemand mehr für Fenicia erkannt hätte, um so mehr, als man diese schon tot glaubte. Ihre Schwester, die ihr Gesellschaft leistete, war jetzt etwa fünfzehn Jahre alt und hieß Belfiore; auch glich sie in der Tat der schönsten Blume und gab an Reizen ihrer ältern Schwester wenig nach. Dieser Umstände versah sich Messer Lionato, der die beiden Jungfrauen häufig besuchte, und er beschloß dann seinen

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