Italienische Novellen, Band 1
Gedanken unverzüglich ins Werk zu richten. Als er eines Tages mit den beiden Rittern zusammen war, sagte er nämlich lächelnd zu Herrn Timbreo: »Es ist jetzt die Zeit gekommen, Herr, daß ich Euch der Verpflichtung, die Ihr gegen mich einzugehen die Gewogenheit hattet, entledige. Ich bin der Meinung, Euch zu Eurer Gattin eine schöne und anmutige Jungfrau ausgefunden zu haben, die Euch meiner Ansicht nach, wenn Ihr sie gesehen habt, gewiß befriedigen wird. Und wenn Ihr auch weniger Liebe für sie empfändet als einst für Fenicia, so kann ich Euch jedenfalls versichern, daß sie nicht minder schön, edel und anmutig ist als diese. Sie ist mit andern weiblichen Gaben und anmutigen Sitten Gott sei Dank in Fülle versehen und geschmückt. Ihr sollt sie sehen und sodann immer noch ihretwegen tun und lassen können, was Euch beliebt. Sonntag morgen komme ich mit einer Begleitung aus meinen Verwandten und Freunden zu Euch: Haltet Euch mit Herrn Girondo bereit, denn wir müssen auf ein etwa drei Meilen von Messina entferntes Landgut gehen. Dort hören wir die Messe; dann besuchen wir das Mädchen, von dem ich Euch gesagt habe, und wir speisen darauf miteinander zu Mittag.«
Herr Timbreo nahm die Einladung und die Verabredung an und bereitete sich am nächsten Sonntag in der Frühe mit Herrn Girondo, um über Land zu reiten. Und siehe, da kam Messer Lionato mit einer Schar von Edelleuten, nachdem er auf dem Landgute bereits alles Notwendige anständig hatte rüsten lassen. Sobald Herr Timbreo von der Ankunft des Messer Lionato benachrichtigt war, stieg er mit Herrn Girondo und seinen Dienern zu Pferd, und nachdem sie sich gegenseitig guten Morgen gesagt, verließen sie alle miteinander die Stadt. Unter mancherlei Gesprächen, wie dies bei dergleichen Ritten zu geschehen pflegt, kamen sie, ehe sie sich's versahen, auf dem Landgute an und wurden ehrenvoll empfangen. Sie hörten in einer nahe dem Hause gelegenen Kirche die Messe, und als diese vorbei war, verfügten sich alle in den Saal, der mit alexandrinischen Teppichen und Tapeten anständig geziert war. Als sie daselbst versammelt waren, siehe, da traten aus einem Zimmer viele Edelfrauen heraus, darunter Fenicia mit Belfiore, und Fenicia war recht eigentlich dem Monde zu vergleichen, wenn er in seinem vollsten Schimmer am Sternhimmel aufgeht. Die beiden Herren nebst den andern Edelleuten empfingen sie mit ehrerbietiger Begrüßung, wie stets jeder Edelmann gegen Frauen zu tun verpflichtet ist. Messer Lionato nahm sodann den Herrn Timbreo bei der Hand und führte ihn zu Fenicia, die, seit man sie auf das Land gebracht hatte, immer Lucilla genannt worden war.
»Seht, Herr Ritter«, sagte er, »dies ist das Fräulein Lucilla, die ich Euch zur Gattin auserkoren habe; wenn sie Euch gefällt, und wenn Ihr meiner Ansicht beipflichtet, so ist sie Eure Verlobte.«
Herrn Timbreo hatte die in der Tat sehr schöne Jungfrau gleich auf den ersten Blick ausnehmend wohlgefallen. Er hatte schon bei sich beschlossen, Messer Lionato zu folgen, und sprach daher nach kurzem Nachdenken: »Herr Vater, ich nehme nicht nur diese an, die Ihr mir zuführt, und die mir eine wahrhaft königliche Jungfrau scheint, sondern ich hätte auch jede andere, die mir von Euch gezeigt worden wäre, angenommen. Und damit Ihr seht, wie sehr ich verlange, Euch zu befriedigen, und damit Ihr erkennet, daß mein Euch gegebenes Versprechen ernstlich war, nehme ich diese und keine andere zu meiner rechtmäßigen Gattin, wofern ihr Wille mit dem meinigen übereinstimmt.«
Darauf versetzte die Jungfrau und sprach: »Herr Ritter, ich bin hier bereit, alles zu tun, was Messer Lionato mir befiehlt.«
»Und ich, schönes Mädchen«, fügte Messer Lionato bei, »ermahne Euch, den Herrn Timbreo zum Gatten zu nehmen.«
Um die Sache nun nicht weiter zu verzögern, wurde einem anwesenden Doktor ein Wink gegeben, daß er die gewöhnlichen Worte sprechen solle nach dem Gebrauch der heiligen Kirche. Der Herr Doktor tat dies in bester Art, und Herr Timbreo vermählte sich auf der Stelle mit seiner Fenicia, in der Meinung, eine Lucilla zu heiraten. Gleich zuerst, als Herr Timbreo das Mädchen aus dem Zimmer treten sah, hatte er in seinem Herzen ein leises Beben empfunden, weil es ihm bedünken wollte, in ihren Gesichtszügen eine gewisse Ähnlichkeit mit seiner Fenicia wahrzunehmen. Er konnte sich nun nicht satt an ihr sehen und fühlte bereits, wie sich alle seine alte Liebe zu Fenicia nun auf diese Jungfrau übertrug.
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