Italienische Novellen, Band 1
Schwester, zur Frau. Und als sie einander verziehen und Frieden und Verwandtschaft geschlossen hatten durch Vermittelung der beiden Kardinäle, verabschiedeten sie sich mit großer Befriedigung und Feierlichkeit, und jeder kehrte in sein Land zurück mit Beruhigung.
Dionigia
Ein König von Frankreich hatte eine Tochter mit Namen Dionigia, schön und reizend, wie nur eine Frau ihrer Zeit; und ihr Vater wollte sie, als sie zu vermählen war, wegen seines vielen Geldes einem hohen Herrn in Deutschland geben, welcher siebzig Jahre alt war; aber das Mädchen wollte ihn nicht, obgleich ihr Vater sich anschickte, ihr ihn wider ihren Willen zu geben. Da dachte das Kind an nichts anderes, als wie sie Mittel und Wege fände zu fliehen; sie verkleidete sich also einst bei Nacht als Pilger, beschmierte sich das Gesicht mit Kräutern, welche die Farbe änderten, nahm einige kostbare Steine, die ihr ihre Mutter bei ihrem Tode vermacht hatte, und machte sich auf den Weg nach der Küste. Sie erreichte auch wirklich das Meer, stieg auf ein Schiff und fuhr hinüber nach der britischen Insel. Aber der König, ihr Vater, als er am Morgen die Tochter nicht fand, ließ die ganze Stadt nach ihr durchsuchen und das ganze Reich, und da er sie nicht fand, dachte er, sie habe sich aus Schmerz einen Tod angetan.
Nachdem das Kind ans Land gestiegen war, machte sie sich auf nach einer Stadt und gelangte an ein Kloster, das reichste dieser Insel; dessen Priorin war eine Base des Königs des Landes. Bei ihrer Ankunft sagte das Mädchen zu der Priorin, sie möchte gerne Nonne werden. Die Priorin aber fragte sie, wer sie sei, wessen Tochter und woher sie komme. Sie antwortete, sie sei die Tochter eines Bürgers aus dem Königreiche Frankreich, ihr Vater und ihre Mutter seien gestorben, und nachdem sie einige Reisen gemacht, wolle sie sich nun dem Dienste Gottes weihen. Als die Priorin ihr mildes und freundliches Wesen bemerkte, kam sie auf den Gedanken, sie als Schülerin und teilweise zur Dienstleistung anzunehmen, und sprach: »Liebe Tochter, ich nehme dich gerne an; vorerst aber wird es gut sein, wenn du unsere Regel und Lebensweise versuchst; wenn dir dann das Haus gefällt, so kannst du das Kleid nehmen.«
Dionigia war sehr vergnügt; sie trat in das Kloster ein und fing an mit solcher Demut der Priorin und den andern Schwestern zu dienen, daß alle Bewohnerinnen des Klosters die größte Liebe zu ihr faßten und sich über ihre Schönheit und ihr Betragen wunderten.
»Fürwahr«, sagten sie, »das muß ein hohes Edelfräulein sein.«
Nun begab es sich nach kurzer Zeit, daß der König von England, dem noch nicht lange sein Vater gestorben war, in seinem Lande umherreiste und auch an dieses Kloster kam, um seine Base, die Priorin, zu besuchen, und es wurde ihm von ihr die feierlichste, ehrenvollste Aufnahme veranstaltet. Während er nun dort verweilte, kam ihm Dionigia zu Gesicht, die denn auch einen so tiefen Eindruck auf sein Gemüt machte, daß es nicht zu sagen ist. Er fragte die Priorin, wer sie sei; diese antwortete ihm mit der Erzählung, wann und wie sie hergekommen sei und wie sie sich aufführe. Da kam er auf den Gedanken, sie zur Frau zu nehmen, und teilte dies der Priorin mit, welche aber erwiderte, sie sei damit nicht einverstanden, denn sie wisse ja nicht, wer das Mädchen sei, und für ihn zieme sich eine Königs- oder Kaiserstochter.
»Ganz sicher«, entgegnete er, »ist sie die Tochter eines hohen Herrn, nach ihrem Betragen, ihren Sitten und ihrer Schönheit zu schließen.«
»Das ist sie nicht«, antwortete die Priorin.
»Nun«, versetzte der König, »so will ich sie so, wie sie ist, sei sie auch, wer sie wolle.«
Die Priorin ließ sie rufen und sprach zu ihr: »Dionigia, unser Herrgott hat dir ein großes Glück bereitet. Höre, inwiefern! Der König von England begehrt dich zur Frau.«
Als sie das hörte, verfärbte sie sich und sagte, sie wolle das unter keiner Bedingung, sondern wolle Nonne bleiben und bitte sie, ihr nicht mehr von derlei Dingen zu sprechen. Die Priorin meldete dies dem König; er aber blieb dabei, jedes Hindernis beseitigen und sie unter allen Umständen zur Frau nehmen zu wollen. Als die Priorin ihn so entschlossen sah, lockte und schmeichelte sie ihr so lange, bis sie einwilligte, und so heiratete er sie in Gegenwart der Priorin, beurlaubte sich sodann mit seiner Frau von ihr und begab sich nach London, wo er in seinem Palaste die größte Feierlichkeit veranstaltete. Er lud alle seine Barone
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