Italienische Novellen, Band 2
was freilich längst geschehen war, und beschloß daher, sie zu verheiraten. Er bedurfte nicht langer Zeit, um einen ihm zusagenden Eidam zu finden; denn da er adlig und reich und seine Tochter sehr schön und liebreizend war, hätten sich viele seines Standes gerne verwandtschaftlich mit ihm verbunden. Messer Pietro wählte daher einen Jüngling aus, der wegen seines Reichtums und seiner edeln Familie ihm gefiel, und kam mit ihm und den beiderseitigen Verwandten und Freunden überein, daß er am nächstkommenden Sonnabend Elena sehen und, wenn sie ihm gefalle, am Sonntag drauf ihr den Ring geben solle, um dann gleich in der Nacht die Vermählung zu vollziehen. Nach dieser Verabredung wurden große Vorbereitungen zu der geplanten Hochzeitsfeier getroffen, und Messer Pietro sagte zu seiner Tochter, daß er beschlossen habe, sie zu verheiraten. Diese so unerwartete traurige Botschaft war Elena ebenso schmerzlich, wie wenn einer zu ihr gesagt hätte: »Morgen will dich der Rat auf dem Sankt-Markusplatze zwischen den zwei Säulen aufhängen lassen.«
Sie wurde über die Maßen betrübt, und grenzenlos gequält von heftigem Leid, vermochte sie ihrem Vater kein Wort zu entgegnen. Er, der nicht an Weiteres dachte, hielt dies für ein Zeichen kindlicher Verschämtheit und fügte auch nichts weiter hinzu, sondern entfernte sich, um das Notwendige zu besorgen, daß die Hochzeit in aller Ordnung und mit einem ausgewählten Mahle prunkvoll gefeiert werden könne, wie es seinem und seines Schwiegersohnes Adel und Reichtum geziemte. Am Abend des Samstags, nachdem der Bräutigam sie schon gesehen und sein Gefallen an ihr ausgesprochen hatte, genoß Elena wenig oder nichts; und als sie sich später mit ihrer Amme in ihr Schlafzimmer zurückgezogen hatte, brach sie in das bitterste und heftigste Weinen aus, das man sich denken kann, ohne daß es der guten Alten gelingen wollte, ihr auch nur den mindesten Trost zuzusprechen, weil sie gar keine Mittel und Wege aufzufinden verstand, um dem zu entgehen, daß sie am folgenden Tage vermählt und in das Bett des neuen Gatten gebracht werde. Das aber, komme, was da wolle, war sie entschlossen, nie und nimmermehr geschehen zu lassen. Dem Vater ihre Verheiratung zu offenbaren wagte sie nicht, und zwar nicht sowohl aus Furcht vor den Ausbrüchen seines Zornes gegen sie, denn sie hätte sogar den Tod mit Freuden erlitten, sondern vielmehr, weil sie fürchtete, durch Veröffentlichung ihrer Verheiratung ihren Gerardo zu verletzen. Sie war auf dem Punkte, in dieser Nacht mit Hilfe der Amme sich aus dem Hause zu schleichen und ihren Schwiegervater aufzusuchen, sich ihm in die Arme zu werfen und ihn in das Geheimnis ihres Verhältnisses zu Gerardo einzuweihen; aber sie wußte nicht, ob ihr Gatte damit einverstanden gewesen wäre. Wer alle die Gedanken und Pläne einzeln aufführen wollte, die in dieser Nacht ihren Kopf durchkreuzten, möchte ebensowohl die Sterne zählen, die sein Blick an dem nächtlichen klaren Himmel strahlen sieht. Ihr dürft aber glauben und euch überzeugt halten, daß ihr Leiden unglaublich und unvergleichlich war. Die ganze Nacht über quälte sich die arme trostlose Elena, ohne einen Augenblick der Ruhe zu gewinnen.
Mit dem Anbruche des neuen Tages verließ die Amme das Gemach, um im Hause ihren Dienst und ihre Obliegenheiten zu versehen, unablässig, wiewohl fruchtlos, sinnend und trachtend, das verzweifelte junge Weib aus seinen ratlosen Nöten zu befreien. In der Tat war ihr Schmerz nicht geringer als der Elenas. Diese hatte sich die ganze Nacht über nicht ausgekleidet. Sobald sie sich nun allein sah, verschloß sie sich, bestürmt von seltsamen bösen Gedanken, in das Gemach, bestieg dann, angekleidet, wie sie war, ihr Bett und legte ihre Gewänder, so sittsam als möglich, um sich her. Dann sammelte sie alle ihre Gedanken auf den einen Punkt, und da ihr Herz es nicht ertragen konnte, diesen zu heiraten, den ihr Vater ihr vorgeschlagen hatte, und da sie auch nicht wußte, wann ihr Gerardo zurückkommen werde, faßte sie den Entschluß, nicht mehr leben zu wollen. Da sie des Mutes ermangelte, sich den Dolch in das Herz zu stoßen oder sich selbst zu erwürgen, und auch kein Gift in Händen hatte, hielt sie, sich ganz in sich versenkend, so lange den Atem an sich, bis sie, da auch der Schmerz fortwährend an ihrem Herzen nagte, das Bewußtsein verlor und von ihren verirrten Lebensgeistern fast ganz verlassen ward.
Als die Zeit zum Aufstehen da war, begab sich die Amme
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