Italienische Novellen, Band 2
allein nach Beirut zu fahren, sondern überallhin zu gehen, wohin es Euch gefällig ist, mich zu schicken; denn ich bin entschlossen, lieber zu sterben, als mich Euren Wünschen fernerhin zu widersetzen.«
Als der liebreiche Vater diese Worte vernommen hatte, hieß er seinen Sohn aufstehen und wollte reden, war aber so gerührt, daß er von den in großen Tropfen seinen Augen entrollenden Tränen daran verhindert wurde und eine lange Weile an Gerardos Halse hing, ohne der Sprache mächtig zu sein. Aus kindlichem Mitgefühle über die heißen, liebevollen Tränen des Vaters mußte auch der Sohn weinen; doch stillte er bald ermannt seine Tränen, und nachdem er sie getrocknet und etwas aufgeatmet hatte, bemühte er sich, mit liebevollen Worten seinen Vater zu trösten.
Als Messer Paolo ausgeweint, beschloß er voll ungemessener Freude, nach seinem Eidam auszuschicken, um ihn zu vermögen, diese Reise demnach Gerardo zu überlassen; er wolle ihn dann einmal für eine andere Reise ausstatten. Als der Eidam kam, teilte ihm der Schwäher die große Freude mit, die ihm der Entschluß seines Sohnes, nach Beirut zu gehen, verursache. Sodann bat er ihn inständig um die Gefälligkeit, diesmal zu Hause zu bleiben; er wolle sodann bei der nächsten Gelegenheit für ihn sorgen, was er auch kurz darauf tat. Wie wenig nun auch Lionardo, der die Reise gar gerne gemacht hätte, mit dieser Kunde zufrieden war, so verhehlte er doch, als ein verständiger Jüngling, sein Mißvergnügen und erklärte seinem Schwiegervater, daß er aus Liebe zu ihm und zu seinem Schwager mit allem zufrieden sei und ihnen zu Gefallen noch zu weit Größerem bereit wäre. Messer Paolo und Gerardo dankten Lionardo für seinen guten Willen auf das wärmste. Sodann schickte man sich an, die Galeere mit allem Erforderlichen auszurüsten und mit ihren Waren zu befrachten.
Wer nun aber die wenigen Nächte schildern wollte, die zwischen dem Entschluß Gerardos zu gehen und der letzten Nacht vor dem Tage seiner Abreise lagen, was darin vorging und die Liebesfreuden, die die jungen Gatten sich erlaubten, die Tränen, die sie beim Scheiden vergossen, der hätte die Hände voll zu tun; und vielleicht waren die Tränen, die die trauernde Fiammetta um Pamfilo vergossen zu haben berichtet, nicht so zahlreich wie die Gerardos und Elenas. Ich will also alles der Einbildungskraft eines jeden überlassen, der wahrhaft liebt und geliebt hat, wie es in einem solchen Falle sein müsse.
Als die Zeit der Abreise kam, lösten die Matrosen die Taue der Galeeren und segelten mit günstigem Wind und Wetter von dannen. War Gerardos Sinnen und Denken zur See unablässig seiner teuern, geliebten Gattin zugewandt, so beschäftigte sein Andenken sie nicht weniger. Sie hatte vor ihm den Trost voraus, daß sie mit ihrer treuen Amme fortwährend von dem teuern Gatten sprechen konnte, und wenn manchmal ein Zweifel in ihr aufstieg über seine Liebe, so sprach ihr die gute Amme Trost ein und versicherte sie, daß Gerardo sonst kein Weib liebe als sie. Gerardo hatte diesen Trost nicht, und je heimlicher sein Liebesfeuer brannte, desto heftiger empfand er nun den Schmerz. Er hatte niemand, bei dem er seine Liebespein auslassen konnte, und nie hatte er jemand zum Vertrauten in diesem Liebeshandel gemacht. Lassen wir ihn aber für jetzt auf seiner Reise! Wir werden ihn später schon wohlbehalten zurückführen.
Schon waren etwa sechs Monate verflossen, seit Gerardo Venedig verlassen hatte. Elena zählte inzwischen Stunden, Tage, Wochen und Monate in Erwartung der Wiederkehr des teuern Gatten, worauf sie sich so sehr freute, obwohl ihr die Stunde sich zum Jahrtausend auszudehnen schien, so lange, meinte sie, kehre er nicht zurück. »Jetzt sind es nicht mehr vierzehn Tage,« sagte sie zu der getreuen Amme, »oder höchstens drei Wochen, so muß mein ersehnter Gemahl in Venedig sein. Und außer seinen Waren wird er tausend schöne Sächelchen mitbringen. Er sagte mir auch, als er wegging, er wolle auch für Euch viele kostbare Geschenke mitbringen.«
Und so erhielt sich das verliebte junge Weib bei fröhlichem Mute, ohne zu ahnen, daß ein Anschlag gegen sie im Werke sei, der sie aufs äußerste in Schmerz und Betrübnis versetzen werde. Da nämlich ihr Vater sah, daß sie über ihr Alter verständig und anmutig und aus der Maßen schön geworden war, und bedachte, daß er doch im Hause keine passende weibliche Aufsicht über sie habe, fürchtete er, es möchte etwas ihm Unangenehmes vorfallen,
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