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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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haltmachten; sie schickten in dieselbe, um Lebensmittel für sich und ihre Pferde zu holen, und erfrischten sich. Die blonde Ginevra weinte fortwährend und aß wenig oder nichts, konnte aber nie erkennen, wer ihre Führer waren. In der Nacht herbergten sie in einsam stehenden Häusern und erlaubten niemand, mit ihr oder ihrer Zofe, ja auch nur mit ihrem Diener zu reden. Als sie nun in einer Nacht in einer kleinen Stadt abgestiegen waren, die von der Höhle, worin Don Diego hauste, etwa sieben Meilen entfernt war, schickte Herr Roderico einen der Seinen an Don Diego und ließ ihm melden, was vorgefallen war, und daß er vor dem Mittagessen mit seinem Gefolge dort eintreffen werde. Es waren etwa fünfzig Tage, seit Herr Roderico den unglücklichen Liebhaber in einiger Hoffnung, die Gunst seiner Geliebten wiederzugewinnen, verlassen hatte. Unterdessen hatte er ziemlich gut gelebt, mehr als sonst heiterer Geselligkeit gepflogen und dadurch großenteils seine natürliche Farbe wiedererlangt, so daß seine Schönheit und Lebensfrische fast wiederhergestellt war. Als er nun von dem Abgesandten seines Freundes erfahren hatte, wie es bisher gegangen war, stand er eine gute Weile in starrem Erstaunen und fast außer sich da. Bei dem Gedanken, daß er nun in einer Stunde diejenige sehen werde, die er so sehr liebte, fühlte er sein Blut sich erwärmen, sein Herz höher schlagen, einen kalten Schweiß alle seine Glieder überziehen und tausend andere Bangigkeiten, so daß er gar nicht wußte, wo er bleiben, noch was er tun sollte.
    Unterdessen näherte sich Herr Roderico der Höhle, trat zu der blonden Ginevra, vor der er sich noch immer verborgen gehalten hatte, und sprach zu ihr, die noch immer über den Tod ihres Geliebten und das Unglück, in das sie geraten, weinte: »Ich weiß, daß Ihr höchlich erstaunen werdet, mich hier zu sehen, und Ihr werdet mich schwer beschuldigen, daß ich, nachdem ich immer ein Freund Eures Hauses gewesen und nie von Euch eine Beleidigung empfangen, Euch auf offener Straße gefangengenommen habe und jetzt in diese öde Wildnis führe. Sobald Euch aber der Beweggrund meines Verfahrens bekannt sein wird, zweifle ich keineswegs, daß Ihr der Vernunft ihr Recht einräumen und mich loben müßt. Und da wir nun dem Ziele unserer Reise nahe sind, so erkläre ich Euch hiermit, daß ich Euch nicht hierhergebracht habe, um Euch Eure Jungfrauschaft zu rauben, – Ihr wißt ja, daß ich für eine andere glühe, – sondern um Euch Eure Ehre und Euren guten Ruf wieder zu verschaffen, den Ihr leichtsinnigerweise durchaus zu beflecken getrachtet habt. Ich habe für einen andern das getan, was ich wünsche, daß man in ähnlichem Falle für mich tun möge. Herr Don Diego (um Euch nicht länger in Ungewißheit zu lassen), den Ihr einst so sehr geliebt habt und der Euch immer so treu geliebt hat und noch liebt, ja anbetet, und der, um nicht den Ausbruch Eures Unwillens länger zu erdulden, sich wie ein Verzweifelter in eine Höhle eingeschlossen hat, um wie ein Wilder zu leben und aller Hoffnung, je wieder in der Welt zu erscheinen, entsagte, – er ist es, zu dem ich Euch führe und begleite.«
    Er erzählte ihr ferner, wie er bei seiner Rückkehr aus der Gascogne ihn in der einsamen Höhle gefunden, und alles, was er mit ihm verabredet, und bat sie sodann, die Tränen zu trocknen, den Zorn zu hemmen, zu welchem kein Grund vorlag, und Don Diego wieder in ihre alte Gunst aufzunehmen. Das verzweifelte Mädchen war bei diesen Worten so verwundert und außer sich, daß sie fast kein Wort hervorbrachte. Über den Tod ihres neuen Liebhabers war sie aber so sehr in Zorn und Schmerz, daß, wenn sie Herrn Roderico die Augen hätte auskratzen können, sie gern ihre Hände dazu geliehen hätte; und als sie den nennen hörte, den sie so bitterlich haßte, verdoppelte sich ihr Unbehagen, so daß sie vor Wut über ihn fast platzte. Sie sagte daher, zu dem Ritter gewandt, voll Zorn: »Ich weiß nicht, wie es möglich ist, daß ich eine so schwere Beleidigung, wie Ihr sie mir treuloserweise zugefügt habt, Euch vergebe. Glaubt nicht, daß ich als ein schwaches Weib nur mit eiteln Worten drohe! Das wäre hier nicht am Platze. Aber ich will mir es tief ins Herz verschließen, und wenn sich mir je Gelegenheit bietet, auf irgendeine Weise dafür Rache zu nehmen, so will ich Euch erkennen lassen, daß Ihr als Mörder und nicht als Ritter gehandelt habt. Jetzt nur so viel: Ihr habt Euch nicht weiter um meine Angelegenheiten zu

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