Italienische Novellen, Band 2
bekümmern, als ich es selbst tue. Ich bin frei und kann für mich tun, was mir wohlgefällt. Laßt mich also mit meinen Leuten gehen, wohin ich mag, und macht Euch meinetwegen gar keine unnötigen Sorgen! Bekümmert Euch um Eure Dinge, und Ihr tut wohl. Denn mich dahin zu führen, wo Don Diego ist, das steht wohl in Eurer Gewalt, solange Ihr mich auf diese Weise gefangenhaltet; nimmermehr aber könnt Ihr es dahin bringen, daß ich freiwillig bei ihm bleibe, noch daß ich ihn liebe. Eher würde ich mir irgendwie einen Tod antun als zugeben, daß er mich genieße. Ihr tut daher nur, was sich gehört, wenn Ihr mich mit diesem meinem Mädchen und meinem Diener gehen laßt, wohin ich mag.«
Der Ritter gab sich viele Mühe, sie durch Gründe zur Erkenntnis dessen zu führen, was ihr Bestes sei, aber alles umsonst. Alle seine Vorstellungen scheiterten an ihrer Hartnäckigkeit und an ihrem Zorne. Unter solchen Gesprächen waren sie bei der Höhle angelangt, wo Don Diego nicht sobald seine grausame Gebieterin vom Pferde steigen sah, als er sich ihr demütig zu Füßen warf und sie mit einem Strome von Tränen anflehte, ihm zu verzeihen, wenn er sie jemals beleidigt habe. Sie war aber ganz voll Gift und weiblicher Galle, wandte daher ihr Gesicht anderwärts und würdigte ihn nicht eines Blickes oder Wortes. Als Don Diego dies sah, erhob er sich auf seine Kniee und sprach nach tausend Bitten und heißen Tränen also: »Da meine aufrichtigsten Beteuerungen Euch, meine Gebieterin, nicht von meiner Reinheit überzeugen können, und da ich ohne Eure Gewogenheit nicht ferner leben könnte, so verweigert mir wenigstens das nicht, was ich als letzte Gunst von Euch erbitte, wofern noch ein Funken von Menschlichkeit und adeliger Gesinnung in Euch ist: ich bitte nämlich, mit eigenen Händen die Rache an mir zu nehmen, nach der Ihr zumeist verlangt. Es wird mir zur höchsten Befriedigung gereichen, wenn ich sehe, daß Euer Zorn sich mit meinem Blute stillt. Und ganz gewiß wäre es für mich unendlich besser, Euch sterbend genugzutun, als in Eurer Ungnade fortzuleben, weil ich in dem Bewußtsein, daß mein Leben Euch mißfällig, mein Tod aber angenehm ist, mich sonst gedrungen fühlen müßte, mich um Euretwillen selbst zu töten. Dann könnte ich doch sagen, ich habe Euch einmal befriedigt.«
Die Jungfrau stand regungsloser als eine Klippe im Meere da und würdigte den fußfällig Bittenden keines einzigen Wortes der Erwiderung. Als nun Herr Roderico dies sah, sagte er höchlich entrüstet über solche Grausamkeit voll gerechten Zornes und begründeten Unwillens zu dem Mädchen mit heftiger Gebärde: »Ich sehe wohl, daß ich wider meinen Willen mich ferner in die Sache mischen muß. Höre mich also, Ginevra, und bedenke wohl, was ich dir sage! Entweder du verzeihst dem Ritter, der dich nie beleidigt hat, und schenkst ihm deine Gunst wieder, die er auf tausendfache Weise verdient hat, – oder du gewärtigst, daß ich gegen dich und die Deinen grausam werde und dich wohl oder übel zwinge, das zu tun, was du längst aus freien Stücken hättest tun sollen. Bei Gott, es gab noch niemals ein so undankbares und grausames Weib wie du! Kannst du in der Tat glauben, daß, wenn er, wie du meinst, um dich zu verhöhnen, den vermaledeiten Sperber zum Geschenk angenommen und des Herrn Ferrando Tochter mehr als dich geliebt hätte, er den Vogel getötet und sich in diese Einöde zurückgezogen haben würde, um wie die wilden Tiere in einer unwirtbaren Höhle zu leben? Wer hätte ihn wohl gehindert, jenes Mädchen zur Frau zu nehmen und mit ihr fröhlich und guter Dinge zuleben, wenn er es gewollt hätte? Vielleicht wäre es für dich richtig, wenn er, wie du es verdienst, dich verachtete, dich den Wölfen zum Futter ließe und sich eine andere Geliebte suchte, wo du dann mit Recht Ursache zur Klage hättest. Mit allem Rechte könnte er, wenn ihn nicht seine allzu große Liebe zu dir über die Wahrheit verblendete, Klage über dich anstellen und sich bitter beschweren. Ja, er dürfte dich als eine grausame, tödliche Feindin hassen und vollkommen verachten, wenn er bedächte, wie er von dir ohne Ursache schnöde verlassen wurde. Und wenn du dir nur noch einen Jüngling ausgewählt hättest, der so reich, schön, tugendhaft und edel wie er gewesen wäre! Aber, o einzige Wahl, die du unter so vielen Edelleuten in unserem Lande getroffen hast! An einen niedrigeren als du hattest du dich gehängt, indem du einen baskischen Prahlhans liebtest, der
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