Italienische Novellen, Band 2
gegen die lange treue Dienstbarkeit eines so edeln, reichen und tugendhaften Ritters wie Don Diego, der dich mehr als sein Leben liebt! Aber wo nur irgend meine Kräfte ausreichen, hoffe ich, sollen dir deine ungebührlichen Vorsätze nicht gelingen, und du sollst Don Diego oder keinem andern zuteil werden.«
Zu dem Diener, der ihm das Geheimnis verraten hatte, sagte er: »Das Mädchen tut in der Tat wohl daran, sich einen Mann zu nehmen; denn ihrer Mutter ist an ihrer Verheiratung, wie es scheint, nichts gelegen. Sie ist ledig und schön, hat das passende Alter und hat sich einen Edelmann ausgesucht. Wenn der nun nicht gerade so reich ist, wie er sein sollte, so hat sie doch Vermögen für beide, da sie nach dem Tode der Mutter die Erbin von allem ist.«
Nach dieser Äußerung blieb Herr Roderico des jungen Basken gewärtig, der nach drei Tagen zurückkehrte und noch zwei kräftige Basken mitbrachte, damit sie ihn begleiten sollten, wenn er die blonde Ginevra entführe. An demselben Tage, wo der Biskayer ankam, war Herr Roderico eben auf der Burg der blonden Ginevra, und als er die Rückkehr des Liebhabers bemerkte, sagte er zu dem Dienstmanne, der ihm alles anvertraute: »Ich sehe, daß der Liebhaber wieder da ist, und daß ihr nun bald fliehen werdet. Wünschest du vor eurer Abreise noch etwas von mir, so sage es! Nimm dich aber in acht, daß du deine Sachen klug anfängst, und plaudere sie nicht gegen jedermann aus! Mir kannst du alles sagen, denn von mir erfährt kein Mensch etwas wieder davon. Wann geht ihr denn fort?«
»Soviel mir mein Fräulein vor noch nicht ganz einer Stunde gesagt hat, gehen wir heute nacht um vier Uhr,« war seine Antwort.
Als der Ritter dies vernommen hatte, kehrte er nach seinem Schlosse zurück und ordnete alles an, was ihm zur Ausführung des Planes nötig schien, den er entworfen hatte. Die Nacht kam, in der die blonde Ginevra mit ihrem Liebhaber fliehen wollte, und als es vier Uhr schlug, stieg sie mit der Zofe, die in ihrem Zimmer schlief, aus einem Fenster, an dem schon Leitern bereit waren, hinab, so leise, daß kein Mensch es hörte. Sie ging durch den Garten, an dessen Pforte Pferde bereitstanden. Sie setzten sich darauf und fingen an zu reiten. Herr Roderico, welcher wußte, welchen Weg sie nehmen würden, legte sich mit einem Dutzend handfester Leute aus seinen Untertanen jenen Abend in ein etwa sechs Meilen von jeder menschlichen Wohnung entferntes Gehölz in Hinterhalt. Es war etwa zwei Stunden vor Tag, als die Flüchtigen in der Nähe des Verstecks ankamen, in dem sie der Ritter mit seiner bewaffneten Schar erwartete, die für alle Fälle aufs beste von ihm eingeschult war. Als sie vor dem Versteck anlangten, sprang Herr Roderico mit den Seinigen hervor und rief: »Ha, Verräter, Ihr seid des Todes!«
Dabei lief er mit eingelegter Lanze auf den Liebhaber los, den er, obgleich es Nacht war, wohl erkannte, und traf ihn mit der Lanze so heftig, daß sie ihm den Hals von einer Seite zur andern durchbohrte, wodurch der Unglückliche tot zu Boden sank. Sobald die andern Basken ihren Gebieter fallen sahen, gaben sie ihren Pferden die Sporen und zerstreuten sich, ohne zu wissen, wer den Jüngling erstochen hatte. Es war ihnen die Flucht sehr leicht; denn als die Begleiter des Ritters sahen, daß sie sich wider Erwarten nicht zur Wehr gesetzt hatten, nahmen sie die zwei Frauen und den Diener fest, der die Sache geoffenbart hatte, und munterten sie auf, unverzagt zu sein. Der Ritter war mit den Seinigen seltsam vermummt, um nicht so leicht erkannt zu werden. Er ließ sogleich den Toten auf sein Pferd setzen, nachdem ihm mit Tüchern die Wunde verstopft war, damit nicht noch mehr Blut herauslaufe, und so befahl er allen, weiterzureiten. Die blonde Ginevra weinte bitterlich und schrie anfänglich laut, bis einer der Bewaffneten, der einen garstigen schwarzen Bart und schielende Augen hatte und wie ein wahrer Teufel aussah, mit dem Dolch in der Hand vor sie trat und ihr mit fürchterlicher Stimme die Drohworte zurief: »Ich schwöre bei Gott, daß ich dir die Gurgel durchschneide, wenn du nicht aufhörst zu schreien! Schweig, denn du hast es besser, als du verdienst: denn es wird dein Glück befördert, und du erkennst es nicht.«
Sie ritten weiter und kamen zu einer kleinen, von der Straße abgelegenen Kirche, wo sie so schnell als möglich den Toten begruben und dann weiterritten. Es war die vierte oder fünfte Tagesstunde, als sie in einem Gehölz in der Nähe einer Stadt
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