Italienische Novellen, Band 2
höre, daß ein Fremder seinem Herrn Schaden zufügt, da Eure eigenen Untertanen und Vasallen Euch solchen Nachteil zuzufügen wagen, der weit mehr von Belang ist als der Verlust aller Glücksgüter; denn die Ehre ist weit mehr wert und muß viel höher angeschlagen werden als alle Schätze und alle Reiche der Welt. Euer von Euch so sehr geliebter Günstling Carlo, den Ihr nicht als Euern Diener, sondern als Euern nahen und vertrauten Verwandten auferzogen und behandelt habt, hat sich unterstanden, mir seine Liebe zu erklären und mich auf das dringendste zu bitten, daß ich seine Freundin werde. Er hat dadurch bewiesen, daß er mich wie ein Dieb berauben und meine Ehre beflecken wollte, in der doch ganz sicher auch die Eurige und die Eures ganzen Hauses beruht. Auf dieses freche, anmaßende Ansinnen habe ich ihm zwar nach Gebühr geantwortet, daß mein Herz an nichts anderes denke, als Euch meine eheliche Treue rein und unbefleckt zu erhalten, und daß er sich nimmermehr erkühnen solle, von so etwas mir ferner zureden. Diese seine verruchte Keckheit hat mich aber bei alledem so sehr verdrossen, daß ich fast darüber gestorben wäre und den Tag nicht ansehen mag. Dadurch habe ich mich auch veranlaßt gefunden, mich zu Bette zu legen. Ich flehe Euch daher von ganzem Herzen demütig an, mein Gemahl, einen so ruchlosen und verderblichen Menschen durchaus nicht mehr in Euerm Hause behalten zu wollen, weil er in der Ungewißheit, ob ich Euch sein Verbrechen offenbart habe, wohl noch gar irgendeine große gefährliche Missetat wider Eure Person unternehmen könnte. Denn wenn er sich nicht gescheut hat, Euer Haupt mit so schändlicher Schmach zu krönen und Euch zum Herrn von Hörnerheim zu machen, so könnt Ihr Euch wohl vorstellen, daß er auch keinen Anstand nehmen wird, wider Euer Leben Anschläge zu ersinnen. Ihr seid weise und wißt besser als ich, ob die Sache von Belang ist. Erteilt ihm also die gebührende Strafe für dieses ungeheure Vergehen!«
Hier schwieg das gottvergessene Weib und sank bitterlich weinend ihrem Gatten in die Arme. Er, der einerseits seine Frau zärtlich liebte und sich, wenn es so war, auf das schwerste von Carlo beleidigt hörte, den er immer für einen guten und getreuen Diener gehalten, weil er ihn in vielen Angelegenheiten als zuverlässig erprobt hatte, wußte keine Entscheidung zu fassen; er fühlte sich wie zwischen Amboß und Hammer, und verschiedene widerstreitende Gedanken bewegten ihn heftig. Sehr schwer fiel ihm zu glauben, daß Carlo einer solchen Bosheit fähig sei. Seine Gemahlin freilich klagte ihn fortwährend an, und er konnte nicht ahnen, zu welchem Zwecke sie ihm ein solches Märchen ersonnen hätte, so daß er äußerst schmerzlich erregt war. Wie sehr ihn aber auch sein Zorn und seine Wut antrieben, an Carlo herbe Rache zu nehmen, so gestattete ihm doch seine Klugheit nicht, blindlings dreinzufahren. Er nahm sich daher vor, Carlos Betragen sorgsam zu prüfen, um das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. In sein Gemach zurückkehrend, schickte er einen seiner Kämmerlinge an Carlo aus, um ihm sagen zu lassen, er solle sich nicht erkühnen, zu ihm zu kommen, sondern auf seinem Zimmer warten, was weiter mit ihm geschehen werde. Der Herzog glaubte, wenn Carlo schuldig sei, werde er aus diesem Befehle gewiß erkennen, daß die Herzogin ihn verraten habe, und außer Landes eine sichere Zuflucht suchen. Umgekehrt war er fest überzeugt, wenn er unschuldig sei, so werde er vor allem die Ursache des Unwillens seines Herrn zu ergründen und sich zu rechtfertigen streben.
Carlo war über den unerwarteten ungnädigen Befehl so unaussprechlich niedergeschlagen und betrübt, daß ich es nicht ausdrücken kann; denn er war sich bewußt, in keiner Beziehung gegen seinen Herrn so gefehlt zu haben, daß er eine solche Zurechtweisung verdient hätte. Im Bewußtsein seiner Unschuld also und außerstande, den Grund sich einzubilden, warum ihn der Herzog vom Hofe verwiesen habe, besuchte er einen ihm befreundeten Höfling, erzählte ihm sein Mißgeschick und bat ihn, dem Herzoge gelegentlich einen Brief von ihm zuzustellen. Dessen Inhalt war die untertänige Bitte, der Herzog möge nicht auf verleumderische Berichte hin, die ihm etwa erstattet worden seien, glauben, daß er in Wort oder Tat ihn irgend beleidigt habe, sondern geruhen, sein gegebenes Urteil aufzuheben, bis er die Wahrheit der Sache klar einsehe; denn er habe nie den Gedanken gehabt, wider ihn sich auf irgendeine Weise zu
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