Italienische Novellen, Band 2
Seite, dem er von ganzem Herzen diente, und den er wie einen Gott auf Erden ehrte. Sie wagte zwar nicht, mit ihm von Liebe zu reden; aber sie bemühte sich, mit Blicken und verliebten Seufzern ihm die Liebesflamme einzuflößen, die sie elendiglich verzehrte. Es blieb freilich alles vergebens, da Carlos Sinnen anderswohin gerichtet war und ihm nicht gestattete, auf ihr Tun und Lassen zu achten. So entschloß sich denn das glühende Weib zuletzt, von ihrer nicht mehr zu zügelnden Begierde überwunden und hingerissen, seine etwaige Bewerbung nicht abzuwarten, sondern Carlo selbst ihr stechendes Liebesweh zu entdecken. Sie meinte, schriftlich ihre verliebte Flamme nicht so gut ausdrücken zu können, wie sie es mündlich tun würde, wenn sie ihre Worte mit fünfundzwanzig Tränchen und ebenso vielen glühenden Seufzern begleite. Als daher der Herzog eines Tages dem Botschafter des Königs von Frankreich geheimes Gehör verlieh und sich mit ihm und einigen Räten in sein Kabinett verschlossen hatte, benutzte sie Zeit und Gelegenheit, rief Carlo zu sich, gleich als ob sie über wichtige Dinge mit ihm zu sprechen hätte, trat mit ihm in eine Galerie und führte, auf und ab wandelnd, folgendes Gespräch:
»Ich verwundere mich sehr«, sprach sie, »wie es möglich ist, daß du in der Blüte deiner Jugend und als der schönste und vorzüglichste Hofmann an unserem Hofe nicht irgendeine der vielen schönen Frauen oder anmutigen Fräulein dieses Landes zu lieben scheinst. Du kannst doch wohl sehen, daß es am Hofe keinen einzigen Edelmann gibt, der sich nicht mit irgendeiner von diesen Frauen unterhielte und nicht, wie man bei uns sagt, eine Verwandtschaft schlösse, um diese Base, jene Schwester, eine dritte Schwägerin, Gemahlin oder Freundin nennen zu können, und alle ohne Ausnahme ergeben sich dem Frauendienste. Nur du allein machst dich mit keiner vertraut. Ich möchte gern wissen, woher diese deine Wildheit rührt.«
Carlo erwiderte hierauf höchst ehrerbietig also: »Madame, wenn ich mich der Gunst würdig hielte, daß eine dieser Damen sich mit ihren Gedanken bis zu mir herablassen könnte, so würde ich vielleicht dann und wann so frei sein, einer von ihnen meine Dienste zu widmen. Da ich aber, wie es denn sehr leicht geschehen könnte, verschmäht und verspottet zu werden fürchte, so wage ich nicht, auf ein verliebtes Abenteuer einzugehen.«
Die kluge Antwort des Jünglings mißfiel der Herzogin nicht und machte ihre Liebe zu ihm nur um so inbrünstiger. Sie sagte daher mit fast bebender Stimme zu ihm: »Ich versichere dich, Carlo, daß keine Dame, wenn sie auch noch so hoch stehe, an diesem Hofe und im ganzen Lande ist, die sich nicht für beglückt hielte, wenn sie dich zum Liebhaber bekäme und du ihr, wie es gebräuchlich ist, den Hof machtest.«
Während die Herzogin sprach – und es fehlte ihr nicht an Worten –, hielt Carlo die Augen zu Boden geheftet, ohne so kühn zu sein, ihr ins Angesicht zu schauen. Alsdann beurlaubte er sich bei ihr und ging hinweg zum höchlichen Mißvergnügen der Herzogin, die ihre Unterhaltung mit ihm noch fortzusetzen gewünscht hätte. Wie bedenkliche Einbildungen auch Carlos Sinn erfüllten, so gab er sich doch nichtsdestoweniger nie weder mit Gebärden noch mit Worten den Anschein, die Absichten und Wünsche der Herzogin durchschaut und erraten zu haben, sondern beherrschte sich nach wie vor, was in der Tat ihr, die etwas anderes wollte als Worte, höchst verdrießlich und Anlaß zum kummervollsten Leben war. Und da sie wegen ihrer großen Schönheit und ihres hohen Ranges darauf gerechnet hatte, sich mit dringenden Bitten um ihre Gunst bestürmt zu sehen, war ihr das unbefangene Betragen Carlos um so unerwarteter, der ihre sie so erbärmlich verzehrende Liebe gänzlich zu übersehen schien.
Endlich konnte sie die Pein nicht länger mehr ertragen. Mit Verleugnung aller Scham und Scheu beschloß sie also, selbst Carlo ihre Liebe zu offenbaren und ihn demütig zu bitten, mit ihr Erbarmen zu haben. Als sie ihn daher eines Tages ganz allein antraf, sagte sie zu ihm mit gedämpfter Stimme: »Carlo, ich habe dir Dinge von der größten Wichtigkeit mitzuteilen.«
Mit der ihr schuldigen Ehrerbietung erwiderte er: »Madame, ich bin bereit, Euch in allem, wo ich kann, zu gehorchen.«
Die Herzogin trat hierauf an ein Fenster, ziemlich entfernt von allen anwesenden Herren und Frauen, verlangte, daß er sich mit ihr in die Brüstung lehnte, und fing wieder das nämliche Gespräch
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