Italienische Novellen, Band 2
verletzt, und er beschloß, ihm seine Geliebte zu nennen, im Vertrauen auf die Redlichkeit und den Edelsinn des Herzogs und weil er gewiß zu sein glaubte, daß er es nicht weitersagen werde. Nachdem er dies überlegt hatte, sagte er zu ihm: »Mein Gebieter, die große Verbindlichkeit, die ich gegen Euch habe und nicht außer acht lasse, für die vielfachen von Euch empfangenen Wohltaten und die Liebe, die ich für Euch hege, mehr als die Furcht vor tausend Toden bewegen mich, da ich Euch durch einen Irrwahn in die verheerende Krankheit der Eifersucht verfallen sehe, um Euch jeden Verdacht zu nehmen und meine Unschuld an den Tag zu geben, zu einem Schritte, den mir alle Foltern der Welt nie abgenötigt hätten; ich bitte Euch aber, mein teuerster Gebieter, mir bei der Ehre Gottes zu versprechen und auf Euer Wort als echter Fürst und gläubiger Christ zu schwören, das Geheimnis, das ich Euch nun enthüllen werde, niemand auf der Welt und in keiner Weise zu offenbaren, vielmehr es immerdar in Eurer Brust verschlossen zu halten.«
Der Herzog schwur nun bei allem Heiligen, was ihm einfiel, und rief Gott und den himmlischen Hof zu Zeugen, daß, was Carlo ihm sagen werde, niemandem durch Wort, Schrift, Wink oder anderswie geoffenbart werden solle, und legte einen körperlichen Eid darüber auf das Kreuz seines Degengefäßes ab. Sobald Carlo dieses Versprechen hatte und da er dem Worte eines so tugendhaften Fürsten, wie er den Herzog kannte, sicher traute, fing er an, ihm die Geschichte seiner bis dahin ganz geheimen und glücklichen Liebe in folgender Weise zu erzählen.
»Mein durchlauchtiger Herr«, sagte er, »es sind sieben Jahre vorüber, daß ich zum ersten Male die angeborene unglaubliche und anmutreiche Schönheit der Frau von Vergy sah, Eurer leiblichen, eben damals verwitweten Nichte, und ich fühlte mich gedrungen zu versuchen, ob ich ihre Gunst erwerben könne. Im Gefühle meiner Niedrigkeit und ihrer Größe bestrebte ich mich, ihr untertäniger Diener zu sein, und begnügte mich mit dem Wunsche, daß sie meine Dienste annehme und sich meine Liebe gefallen lasse. Ihre Güte würdigte mich nicht nur dieses Glücks, sondern nahm mich sogar zum Gatten. Und so hat unsere Liebe Gott sei Dank bis jetzt zu unserer größten Befriedigung, wie man sich nur denken kann, tief im verborgenen gedauert und außer Gott nie jemand davon eine Ahnung gehabt. Ihr, mein Gebieter, seid der erste, dem ich es jetzt offenbare, in dessen Hände ich nach der zwischen ihr und mir beschworenen Übereinkunft mein Leben und meinen Tod lege, wie ich schon sagte, weshalb ich Euch denn jetzt nochmals auf das allerinständigste bitte, es geheimzuhalten und diese Eure Nichte darum nicht geringer zu schätzen, weil sie in zweiter Ehe ihren Stand verleugnet hat. Ihr kennt ja die Sitte dieses Landes, wonach eine Frau, wäre sie auch in erster Ehe Königin gewesen, wenn sie sich zum andern Male vermählen will, jeden Edelmann heiraten kann ohne Tadel. Darum bitte ich Euch, gnädiger Herr, geruhet sie in der Stellung als Eure Nichte fortan zu erhalten wie bisher, mich aber als Euern getreuen Diener, der ich bin und immer sein werde!«
Dem Herzoge mißfiel um seiner Liebe zu Carlo willen diese Ehe nicht, und er wußte auch, daß bei der wunderbaren Schönheit seiner Nichte die Herzogin sich allerdings mit ihr nicht vergleichen könne. Höchst seltsam wollte es ihn aber bedünken, daß eine so wichtige Angelegenheit ohne Beihilfe oder Vermittelung irgendeines Menschen zu Ende geführt worden sei. Er bat daher Carlo, ihm zu eröffnen, wie er ein so schönes Unternehmen für sich allein ausgeführt habe, und Carlo befriedigte seine Neugier folgendergestalt: »Nachdem zwischen der gnädigen Frau und mir ohne Mitwissen irgendeines Menschen beschlossen worden war, das Band der Ehe zwischen uns zu schließen, befahl sie mir, in der folgenden Nacht zu einer bestimmten Stunde ganz allein in ihren herrlichen Garten zu kommen, der, wie Ihr wißt, ganz in der Nähe ist, und gab mir die Tür an, durch die ich in denselben eintreten könne. Ihr Gemach hat ein kleines Pförtchen, das in den Garten führt. Sobald ihre Frauen sich von ihr entfernt haben, öffnet sie ganz leise diese Pforte und schickt ihr Schoßhündchen hinaus, das im Garten zu bellen anfing. Ich, der ich zwischen den Gebüschen versteckt war, schlich, sobald ich das Bellen hörte, ganz leise in das Zimmer, wo ich bei der ersten Zusammenkunft ihrem Willen gemäß sie als Frau heiratete unter
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