Italienische Novellen, Band 2
einiger Tage geschah es, daß der Herzog ein großes Fest ansagen und alle Damen und Edelfrauen der Gegend zu einem achttägigen großen Hoflager einladen ließ. Unter vielen andern Frauen und Fräulein kam dahin auch die Frau von Vergy. Wie nun eines Tages getanzt ward und eben viele Frauen und Fräulein um die Herzogin herum saßen, nahm diese in ihrer höchst gereizten, über Carlo ärgerlichen Stimmung die unvergleichliche und wunderbare Schönheit der Frau von Vergy wahr und fing mit diesem Kreise von Liebe zu reden an, worüber jede der Damen ihre Meinung sagte. Da sie aber sah, daß die Frau von Vergy nur den andern zuhörte und nichts sprach, wandte sie sich plötzlich an sie mit einem von der äußersten Eifersucht erfüllten Herzen und fragte: »Und Ihr, schöne Nichte? Ist es möglich, daß diese Eure große Schönheit ohne Freund und Diener ist?«
Die Frau von Vergy erwiderte mit der größten Anmut ehrerbietig: »Frau Herzogin, meine Schönheit, wie sie eben ist, hat mir noch keinen Freund und Diener zugeführt.«
Von Neid und Eifersucht berstend, warf die Herzogin bei diesen Worten verächtlich den Kopf empor und sagte: »Schöne Nichte, schöne Nichte, ich muß Euch sagen, daß es in der Welt keine so verborgene Liebe gibt, die nicht am Ende an das Tageslicht gezogen würde, und auch kein so meisterlich abgerichtetes und gezogenes Hündchen, dessen Bellen zu rechter Zeit sich nicht auf die Dauer vernehmen ließe.«
Ihr mögt Euch vorstellen, erlauchte Frau, und ihr, liebenswürdige Frauen und edle Herren, wie groß der Schmerz und die entsetzliche Bedrängnis war, die das Herz der unglücklichen Frau von Vergy befiel, als sie diesen so lange verborgen gehaltenen Umstand nun entdeckt sah. Sie meinte aus einer Äußerung, die Carlo früher über die Herzogin getan, er sei in der Tat in diese verliebt und habe ihr deshalb den Umstand mit dem Hündchen mitgeteilt. Dies quälte sie über alles; denn ihr Herz ward von dem kalten fressenden Wurm der verpesteten Eifersucht zernagt. Und wiewohl sie vor Schmerz ihre Kräfte schwinden fühlte, so blieb doch ihre Kraft ausdauernd und stark genug, um die Leidenschaften und Schmerzen ihres Innern zu unterdrücken und mit fast lachendem Mute der Herzogin zu antworten, sie verstehe sich nicht auf die Sprache der Tiere. Es war unter den die Herzogin umgebenden Frauen keine einzige, die diese Anspielung auf das Bellen des Hundes verstanden hätte. Die Frau von Vergy blieb noch eine Weile; dann stand sie auf und begab sich, äußerst betrübt und von unendlichem Kummer erfüllt, in das Gemach des Herzogs, und aus diesem trat sie in das, das man ihr zur Wohnung eingerichtet hatte. Der Herzog schritt auf und ab, sah seine Nichte in das Gemach eintreten und meinte, sie habe irgend etwas daselbst zu besorgen. Als nun die Unglückliche ihr Zimmer erreicht hatte, warf sie sich, ohne die Tür zu verschließen, in der Meinung, allein zu sein, wie mit einem Male aller Kräfte beraubt, auf ihr Bett. Es hatte sich jedoch zwischen den Bettvorhängen und der Wand eine Zofe verborgen, um zu schlafen; diese vernahm das Geräusch des Hinsinkens der unglücklichen Dame auf ihr Bett, erhob ein wenig den Vorhang und erkannte nun die Dame; allein sie wagte nichts zu sagen, sondern blieb ganz ruhig.
Die Dame ließ ihren bitteren Tränen freien Lauf und suchte ihren herben Schmerz dadurch zu dämpfen, daß sie mit schwacher Stimme sprach: »Ach, ich Unglückliche! Welche Worte habe ich gehört? Sie sind mir der bestimmte Spruch des Todesurteils. So ist mir denn das Ende eines bisher so glücklichen, jetzt höchst unseligen Lebens genaht! O du, wie kein anderer je von einem Weibe Geliebter! Ist das der Lohn, ist das die Vergeltung meiner sittsamen, keuschen und tugendhaften Liebe? Ach, mein Herz, wie konntest du je eine so verderbliche, unüberlegte Wahl treffen, den Pflichtvergessensten und Treulosesten für den Getreuesten, den Lügenhaftesten und Doppelzüngigsten für den Wahrhaftesten und Offensten, den eitelsten Schwätzer und Plauderer für den verschwiegensten Mann zu halten? Ach, ist es möglich, daß eine den Augen der ganzen Welt verheimlichte Sache der Herzogin bekannt worden ist? Ach, mein getreues Hündchen, du gut abgerichteter Mitwisser meiner schamhaften Liebe, du bist es gewiß nicht gewesen, der sie veröffentlicht hat. Wer ist aber sonst der Verräter? Wer hat das Geheimnis entdeckt, um sich zu rühmen? Einer, der eine viel lautere Stimme hat als du, mein vertrautestes
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