Italienische Novellen, Band 2
verpfänden. Als sie nun Witwe geworden war, wandte sie alle ihre Aufmerksamkeit auf die Erziehung ihres Söhnchens. Sie bewohnte einen prächtigen Palast, der ganz mit den prachtvollsten flandrischen und alexandrinischen Teppichen und mit reichen und weichen Betten ausgestattet war wie nur irgendeiner in Mailand. Auch hielt sie eine sehr anständige Kutsche mit vier stattlichen Rossen, und wenn sie auch nicht mehr so viele Aufwärter und Dienerschaft hielt wie zu Lebzeiten ihres Mannes, so hatte sie doch noch zahlreiche Bedienung, unter andern einen sehr alten Sekretär, der schon bei ihrem Schwiegervater und ihrem Gatten gedient hatte, einen Verwalter der auswärtigen Güter und einen bejahrten Hausmeister nebst zwei Reitknechten und einigen Edelknaben. Außerdem hatte sie einige Frauen neben dem Hausvogt und der Amme. Sie verlangte nun, daß sie sich jeden Abend zu schicklicher Stunde in ihre Gemächer zurückzogen, und sobald der Palast abends geschlossen wurde, ließ sie sich die Schlüssel zu den Toren in ihr Schlafzimmer bringen, wo sie sie die Nacht über behielt. So lebte sie in ungestörter Ruhe und Eingezogenheit, sah ihre Verwandten selten, andere noch weniger; das einsiedlerische Leben gefiel ihr, und sie war fest entschlossen, kein neues Eheband einzugehen.
Sie war aus edlem Geschlecht, besaß eine schöne Mitgift, der ihr Gemahl noch zugelegt hatte; sie hatte in sehr vornehmer Ehe gelebt, und man nahm für gewiß an, daß sie stets viele Tausende von Dukaten in der Kasse haben mußte, da man die großen Einkünfte und den geringen Aufwand kannte, der im Hause üblich war. Darum stellte ihr ein hübscher Trupp von Edelleuten nach, um ihre Liebe zu gewinnen, die einen, um ihre hohen Reize zu genießen, die andern, um sie zur Ehe zu bekommen. Aber alles war umsonst; denn sie sagte, sie habe den feinsten und höflichsten Mann, den es geben könne, zum Gatten gehabt und seine ausschließliche Liebe besessen, wie er im Tode noch durch die reinste Anhänglichkeit dargetan habe; sie wolle daher die Götter nicht versuchen, aus Furcht, an irgendeinen jener widerwärtigen, eifersüchtigen und argwöhnischen Männer zu geraten, wie sie der Spott der Nachbarn und die Zuchtrute des Hauses sind, und der ihr keine erwünschte Gesellschaft leisten würde. Bei diesem Entschluß kümmerte sie sich gar nicht um die Bewerbungen dieser aller, die ihr den ganzen Tag den Hof machten oder sie zur Frau wollten; und es konnte keiner bemerken, daß sie den einen freundlicher angeblickt hätte als den andern.
Es dauerte etwa zwei Jahre, ohne daß sie für jemand Neigung faßte; sie schien vielmehr die ganze Welt gering zu schätzen: kein einziges Mal kam ihr der Wunsch, sich zu verlieben oder dem Joche der Ehe zu unterwerfen. Aber Amor ergrimmte nun über die Härte dieser Frau und beschloß, unter allen Umständen sie dahin zu bringen, ihren keuschen Vorsatz zu brechen und ihm den Sieg über sie zu gönnen. Als nun das Jahresfest der Verkündigung der Himmelskönigin gefeiert wurde, wobei, wie mir gesagt wurde, gewöhnlich vollkommener Ablaß gespendet wird, das eine Jahr im größern Hospital, das andere im Dom, sah sie, diesmal im Hospital, fast sich gegenüber einen Edelmann im Gespräche. Die Frau war nämlich zur Beichte gegangen, um vollständigen Ablaß zu erlangen, und ward plötzlich von so heftiger Liebe ergriffen, daß sie die Augen aufschlug, um den Edelmann nochmals zu betrachten, der in der Tat sehr schön, tapfer, tugendhaft und reich und mit den besten Sitten ausgestattet war. Die Frau meinte, in ihrem Leben nie einen edleren und anmutigeren jungen Mann als ihn gesehen zu haben, und vermochte ihre Blicke nicht von ihm abzuwenden. Der Edelmann aber, der nicht an sie dachte, kümmerte sich nicht darum. Sie wünschte gar sehr, daß er sich zu ihr wende; denn sie meinte, daraus, daß er sie ansehe, ein wunderbares Vergnügen zu schöpfen. Indessen trat der Apotheker, dessen sich die Frau sowohl für Arzneien als für Eingemachtes bediente, zu dem Jüngling und fing an, mit ihm zu sprechen. Da ihre Unterhaltung lange dauerte, winkte sie den Hausvogt, der sie begleitet hatte, zu sich heran, der ehrerbietig näher trat. Sie fragte ihn nun mit gedämpfter Stimme, ob er den Edelmann kenne, der mit dem Apotheker sprach. Auf erhaltene verneinende Antwort trug sie ihm auf, mit geschickter Weise genau zu erkunden, wie er heiße. Bald darauf ging der junge Mann hinweg, und der Hausvogt schlich bedächtig hinter ihm drein,
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