Italienische Novellen, Band 2
begegnete, der ohne Gesellschaft auf einem spanischen Klepper durch die Straßen spazierenritt. Der Hausvogt näherte sich ihm und sagte: »Mein Herr, ich möchte mit Euch reden, wenn es Euch gelegen ist.«
Der Jüngling erwiderte, er sei gerne bereit, ihn anzuhören, und bat ihn, ihm zu sagen, wer er sei. »Wer ich bin, mein Herr, kann ich Euch nicht sagen; aber hört, was ich Euch sonst mitzuteilen habe! Es lebt in dieser Stadt eine sehr schöne und edle Frau, sehr reich an Glücksgütern; diese ist so erglüht von Liebe zu Euch, wie nur je eine Frau in der Welt gegen irgendeinen Mann. Sie hält Euch für einen der wackersten, gebildetsten und klügsten Jünglinge der Stadt, und wenn sie nicht eine solche Meinung von Euch hätte, wünschte sie um alles Gold der Welt keinen Umgang mit Euch. Weil es aber viele junge Leute gibt, die wenig Grütze im Schädel und nicht mehr Hirn unter der Mütze haben als über derselben, und die ein freundliches Gesicht und einen holden Blick von ihrer Geliebten plötzlich in den Kirchen und auf den Plätzen ausschreien, will sie vorerst Eure Standhaftigkeit, Verschwiegenheit und Treue auf die Probe setzen. Sie wünscht sonach, daß Ihr sie bei Nacht besucht, aber so, daß Ihr sie weder sehen noch erkennen könnt. Wenn es Euch daher gefällig ist, so findet Euch in der künftigen Nacht zwischen drei und vier Stunden nach Sonnenuntergang an der und der Straßenecke ein: ich werde Euch maskiert abholen. Es steht Euch frei, wenn Ihr wollt, bewaffnet zu sein, wie Euch gutdünkt. Sobald ich komme, ziehe ich Euch eine Kapuze über den Kopf, damit Ihr nicht sehen könnt, wohin ich Euch führe. Ich versichere Euch bestimmt, daß Ihr keinerlei Betrug zu fürchten habt; vielmehr führe ich Euch an die Seite der anmutigsten und schönsten Frau in der Lombardei. Überlegt es wohl und handelt dann!«
Nach diesen Worten entfernte sich der Hausvogt und ging auf ungewohnten Wegen nach seiner Wohnung zurück. Der junge Mann aber stand da: tausend Gedanken kreuzten sich wirr in seinem Kopfe, und er wußte nicht, was in einem solchen Falle zu tun sei.
»Weiß ich,« sprach er bei sich selbst, »ob nicht ein Feind von mir unter dieser Lockspeise mir Gift gelegt hat und mich wie einen einfältigen Schöps auf die Schlachtbank zu bringen trachtet? Aber ich habe meines Wissens keinen Feind, denn ich habe ja niemandem ein Leid zugefügt, weder großes noch kleines. Ich kann mir nicht denken, wer nach meinem Blute trachten sollte. Auch sagte ja der, der mit mir sprach, ich könne, wenn ich wolle, gut bewaffnet gehen. Aber freilich, ich mag noch so gut mit Waffen versehen sein, wenn ich eine Kapuze über den Kopf habe, so sehe ich ja gar nicht, wer mir etwas zuleide tun will. Wer hat je etwas Ähnliches gehört, daß eine Frau heftig in einen Mann verliebt gewesen wäre und sich nicht von ihm sehen lassen wollte? Weiß ich, ob ich, vermeinend, eine zarte und reiche junge Frau zu umarmen, mich am Busen einer schnöden, garstigen Hure befinde, die, freigebig mit ihren Reizen, unbedenklich jeden Lump und Lastträger über sich läßt? Es könnte auch eine mit dem französischen Übel behaftete sein, die mir ihre Livrei mitteilte und mich auf meine Lebtage zum Krüppel machte, so daß ich kein Mensch mehr wäre.«
Unter diesen und ähnlichen Gedanken überlegte der junge Mann, was aus dieser Sache werden möchte, und war bis zur Nacht ganz außer sich und wußte zu keinem Entschlusse zu kommen. Er speiste um zwei Uhr zu Nacht, aß aber nur sehr wenig und dachte immer darüber nach, was er zu tun habe. Am Ende entschloß er sich, das Unternehmen zu versuchen, bewaffnete sich um drei Uhr und begab sich an die bezeichnete Stelle. Und er durfte nicht lange warten, so kam der Hausvogt in der verabredeten Weise dahin, grüßte ihn und setzte ihm die Kapuze auf.
»Mein Herr«, sagte er sodann, »faßt mit einer Hand meinen Rock von hinten und folgt mir!«
Er ging sodann durch verschiedene Straßen da- und dorthin, kehrte auch manchmal zurück und verfehlte oft seinen Weg absichtlich, so daß der Hausvogt selbst das nächstemal denselben Weg unmöglich wiedergefunden hätte. Zuletzt führte er ihn in das Haus der Witwe und ließ ihn im Erdgeschoß in ein Zimmer treten, das aufs reichste ausgestattet und mit einem so zierlich geputzten Bett geschmückt war, mit zwei allerliebsten Kopfkissen, von purpurner Seide und mit Goldfäden so kunstreich und meisterhaft durchwirkt, daß auch der reichste König sich dadurch
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