Italienische Novellen, Band 2
Totschläger, der Euch ums Leben gebracht hat, von mir die gebührende Rache geübt werde? Er hat Euch, meine liebenswürdigste Gattin, mit einem andern Schlage als mit Schwert oder Dolch elendiglich gemeuchelt. Darum muß unter allen Umständen dieser offenbare verruchte Mörder durch die Hand eines schnöden Henkers sterben. Und welchen niederträchtigeren Henker kann man auf der Welt finden als mich? O blinde Liebe, ich habe dich höchlich beleidigt, da ich so fahrlässig war in deinem weiten Liebesreich. Daher verlangt keine Billigkeit, daß du mir zu Hilfe kommst, wie du dieser getan hast, die dein Gesetz treu bewahrte, und es schickt sich nicht, daß ich mit einem so schönen Tode mein Dasein endige. Es ziemt sich vielmehr, daß ich mit eigenen Händen diese verruchte Seele aus diesem Leibe verjage.«
Mit diesen Worten legte er den Leichnam der Frau auf das Bett, nahm den Dolch, den er an der Seite führte, brachte sich eine tödliche Wunde in der Brust bei und nahm dann sogleich den Leichnam seiner Geliebten wieder in den Arm.
Als die Zofe dies sah, fing sie an wie wahnsinnig um Hilfe zu rufen. Der Herzog eilte auf das Geschrei in die Kammer, und da er das liebende Paar in dieser Weise fand, bemühte er sich, Carlo aufzuheben; aber sein Bestreben war umsonst, und als Carlo sich schütteln fühlte und den Herzog an der Stimme erkannte, wendete er den Kopf etwas gegen ihn und sprach mit mannigfach unterbrochener schwacher Stimme: »Da seht, mein Gebieter, wohin meine und Eure Zunge meine teure Gattin und mich geführt haben! Gott möge es Euch verzeihen und möge auch mir meine Sünden verzeihen, da ich in tiefster Trauer mir die Schuld beimesse!«
Der Herzog wollte Carlo noch aufheben; in demselben Augenblicke aber fiel dieser mit dem Gesicht über seine Gattin hin und blieb tot liegen. Nachdem sodann der Herzog von der Zofe den Hergang des Ganzen vernommen hatte, kniete er vor den Leichen der unglücklichen Liebenden nieder, weinte bittere Tränen, küßte sie mehrmals ins Gesicht und bat sie um Vergebung. Dann zog er den blutigen Dolch aus Carlos Brust und trat damit ganz rasend in den Saal, wo die Herzogin lustig tanzte, im frohen Gefühl, sich an Carlo und der Frau von Vergy gerächt zu haben.
Wütend trat er mit dem Dolche zu ihr.
»Verworfenes, böses Weib«, sagte er zu ihr, »denkt Ihr nicht mehr daran, daß Ihr das Geheimnis, das ich Euch mitteilte, auf Euern Eid genommen habt ?«
Bei diesen Worten ermordete er sie mit mehrfachen Stichen.
Die ganze Gesellschaft im Saale war bestürzt und meinte fast, der Herzog sei verrückt geworden. Er winkte aber zur Stille und erzählte ihnen die klägliche Geschichte der beiden Liebenden. Die Herzogin wurde sodann in einer Kirche beigesetzt, nachdem man gefunden hatte, daß sie nicht schwanger war. Dem unglücklichen Liebespaare ließ der Herzog ein herrliches, reiches Grabmal von Marmor errichten mit meisterhaften wunderschönen Bildwerken und ließ es in eine Abtei bringen, die er kurz zuvor gegründet hatte. Dort wurden die beiden Liebenden beigesetzt mit einer Grabschrift, die die Geschichte ihrer Liebe enthielt nebst ihrem kläglichen Ende im Tode.
Carlo hatte einen Bruder Rodolfo; diesem schenkte der Herzog zwei Schlösser, Bersalino und Corlaonio, für sich und seine Erben.
Einige Zeit darauf unternahm der Herzog eine Reise übers Meer zur Verteidigung des heiligen Landes mit Ehren und Nutzen. Nach Burgund zurückgekehrt, trat er seinem leiblichen Bruder die Regierung des Herzogtums ab und zog sich, um Buße zu tun, in die Abtei zurück, worin die zwei unglücklichen Liebenden begraben worden waren. Dort brachte er unter strenger Lebensweise im frommen Dienste Gottes sein Alter hin.
Ein Witwenleben in Mailand
Durch Mailand kommend, hörte ich von einem meiner Freunde, es lebe daselbst noch eine edle Witwe, die sehr jung, sehr reich und ausnehmend schön – sich dennoch entschloß, nie wieder zu heiraten, obwohl sie noch nicht über zweiundzwanzig Jahre alt war. Sie hatte ein kleines noch nicht einjähriges Söhnchen in der Wiege, das sie ihrem Gatten geboren hatte. Als ihr Gatte zu sterben kam, machte er sein Testament und setzte seinen Sohn zum Gesamterben ein. Seiner Frau legte er zu ihrer Mitgift noch fünftausend Dukaten und setzte sie über das ganze Vermögen, ohne Verbindlichkeit, irgend jemand von ihrer Verwaltung Rechenschaft abzulegen, mit Ausnahme, daß es ihr nicht gestattet war, die liegenden Güter zu veräußern oder zu
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