Italienische Novellen, Band 2
Gerüchte. Die zwei Gerichtshalter, der bürgerliche und der Strafrichter, waren Vettern des Fräulein Verue; mit beiden war Turchi genau bekannt, und oft pflegten sie in traulichem Kreise zusammen zu speisen. Darum ging dieser Turchi am zweiten Tage nach vollbrachtem Morde zum Nachtessen zu dem bürgerlichen Richter, um zu erkunden, was man von Deodati sage. Sobald daher das Gespräch auf diesen Vorfall kam und wie auffallend es sei, daß sich gar keine Spur von Gieronimo zeige, wohin er gegangen sei, sagte Turchi: »Da gilt es, lieber Herr, alle Sorgfalt anzuwenden, um zu sehen, ob es möglich ist, etwas von ihm zu erspähen.«
»Wir haben«, fügte der Richter hinzu, »heute im Rate beschlossen, morgen alle Gärten und Häuser zu durchsuchen, die auf der Seite liegen, wo auch ich meinen Garten habe, und man wird nicht ermangeln, alle Plätze zu durchstöbern, die er zu besuchen pflegte.«
Simone sagte, das sei sehr wohlgetan, konnte aber nicht erwarten, bis er von hier wegkam. Sobald fertiggegessen war, nahm er auch unter irgendeinem Vorwand Abschied und sagte, als er nach Hause kam, zu Giulio: »Wir müssen Argusaugen haben, Giulio, und heute nacht sorgen, daß wir nicht morgen früh überrascht werden.«
Dann erzählte er ihm von dem im Rate gefaßten Beschluß und fügte hinzu: »Du weißt, daß der Sessel noch voll Blut ist. Du mußt nun im Augenblick in den Garten gehen und den Stuhl ganz rein waschen, so daß auch kein Tröpfchen Blut mehr daran bleibt. Auch ist die Wand der Mauer, an der der Sessel lehnte, von Blut, das hinaufspritzte, beschmutzt. Deswegen muß man auch die Wand reinigen und genau und sorgfältig auf dem Pflaster zusehen, ob, als wir den Leichnam in den Keller schleppten, die Wunden die Stelle mit Blut befleckt haben, damit auch nicht das geringste Fleckchen Blut übrigbleibe; denn die Angabe, man wolle alle jene Stellen durchsuchen, bringt mich auf die Besorgnis, es könne ein Zeichen oder ein Verdacht des Geschehenen vorhanden sein, oder es argwöhne wenigstens der Richter das Vorgefallene. Wenn dann alles geschehen ist, was ich dir gesagt habe, so mußt du die Leiche ausgraben, auf den Rücken nehmen und in den Brunnen werfen, dort am Kreuzwege, wo die drei Straßen zusammenlaufen. Die Nacht wird finster werden, und niemand geht um diese Stunde auf der Straße; auf diese Weise können wir uns also ganz sicherstellen.«
Giulio antwortete, er werde alles pünktlich ausführen; nur dazu habe er den Mut nicht, jene Leiche zu tragen: sie sei gar zu schwer, und er solle sich erinnern, daß, als sie sie beerdigt hätten, sie kaum selbander imstande gewesen seien, sie auf dem Boden zu schleppen.
»Wohlan«, fügte Simone hinzu, »geh und besorge indes das übrige! Ich will dir dann den Piemontesen schicken und ihm auftragen, zu tun, was du ihm angibst. Aber hab acht darauf, sobald ihr den Leichnam in den Brunnen geworfen habt, daß du womöglich durch List es dahin bringst, den Piemontesen gleich darauf hinunterzustürzen! Der Brunnen ist sehr tief, und wenn er hineinfällt, muß er im Augenblick ertrinken. Wenn dir aber das nicht gelingen sollte, so weißt du, daß er keine Waffen bei sich hat und feiger ist als ein Kaninchen. Gürte den kleinen Säbel um, bring ihn damit ums Leben und laß ihn dort auf der Straße liegen! Wer wird dann auf die Vermutung kommen, daß er durch uns umgekommen sei?«
Nun seht, wie weit dieser Turchi es in der Verruchtheit gebracht hatte! Nicht zufrieden, den armen Deodati grausam ermordet und ums Leben gebracht zu haben, wollte er nun auch noch den Piemontesen umbringen, der einer seiner Diener war und ihn nie beleidigt hatte.
Nachdem diese Verabredung mit Giulio getroffen war, ging dieser hinweg, um das Haus zu reinigen und zu fegen, wie man ihm befohlen hatte. Simone rief sodann, sobald es ihm gelegene Zeit schien, den Piemontesen zu sich, befahl ihm, sogleich in den Garten zu gehen und zu tun, was Giulio ihm auftragen werde. Der Piemontese ging hin, pochte an der Tür und wurde, nachdem er sich durch seine Stimme zu erkennen gegeben hatte, von Giulio eingeführt. Giulio hatte ein Licht in der Hand, ging voraus und sagte zu dem Piemontesen, er solle ihm folgen. Schon war er fertig geworden mit der Reinigung des Stuhls, hatte überall die Blutspuren aufgewaschen und die Leiche fast ganz wieder ausgegraben. Als sie in den Keller kamen, stellte Giulio das Licht auf eine Bank und sprach: »Piemontese, hilf mir diesen Leichnam aus dieser Grube
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