Italienische Novellen, Band 2
schwankte mehrere Tage, ob sie mit ihm davon sprechen sollte. Endlich beschloß sie, mit Deodati zu reden und ihn zu Rat zu ziehen; sie bat ihn inständig, ihr seine Ansicht zu sagen und was er tun würde, wenn er in ihrem Falle wäre; als sie nun eines Tages lange und allein sich mit ihm unterhielt, schüttete sie ihr Herz vor ihm aus, und Gieronimo antwortete ihr folgendermaßen: »Liebes Fräulein, da Ihr mir die Güte erweiset, in diesem Euch bedrängenden Falle mich um meine Äußerung anzugehen, würde ich glauben, das größte Unrecht zu begehen, wenn ich nicht frei, da ich Euch ein ergebener und getreuer Diener stets gewesen bin und noch jetzt bin, Euch sagte, was meiner aufrichtigen Meinung zufolge Euer Vorteil erheischt und was ich selbst tun würde, wenn es sich um meine Interessen handelte. Ihr versichert mich, daß viele von meinen Landsleuten und noch andere Euch gewarnt und geraten haben, Euch der Summen genau zu versichern, die Ihr dem Turchi anvertraut habt. Ich bin in der Tat derselben Ansicht, und zwar je früher, je besser. Ich rate Euch daher, eines von beiden zu tun, nämlich das Geld zurückzunehmen oder doch zu veranlassen, daß die Gigli, rechtliche und zuverlässige Kaufleute, die ganze Summe samt dem in der Zeit daraus erwachsenen Gewinn als ihre Schuld gegen Euch anerkennen.«
Dieser kluge Rat gefiel Fräulein Verue ausnehmend, und sie beschloß ihn auszuführen. Sie nahm also die Gelegenheit wahr und entdeckte Simone ihren Wunsch mit der Bemerkung, es sei ihr dies von vielen, namentlich Lucchesen angeraten worden. Nach der Versicherung von einigen nannte sie dabei Deodati ausdrücklich; und es ist auch in der Tat ein großer Fehler, etwas, was geheim bleiben soll, Frauen zu erzählen: denn in der Tat, die meisten von ihnen verstehen nichts zu verschweigen, wenn sie nicht ihren Vorteil dabei sehen. Daher pflegte Cato Censorius zu sagen, man müsse über nichts mehr bekümmert sein, als wenn man etwas, was geheimgehalten werden sollte, einem Weibe anvertraut habe. Bekanntlich sind in der Regel fast alle Frauen ehrgeizig und meinen alle, weit mehr zu wissen, als sie wissen, und alle wünschen, in Ansehen zu stehen, als seien sie im Besitze einer großen Herrschaft; ja oftmals entschlüpft einigen die Äußerung, wenn sie das Szepter in der Hand hätten, wüßten sie besser einen Staat zu regieren als die Männer. Und ich glaube gerne, daß sie manchmal die Wahrheit sagen gegenüber von vielen Männern von so wenig Verstand und geringer Fähigkeit in tüchtigem Tun, daß sie das Wasser nicht verdienen, das sie zum Waschen der Hände brauchen. Aber ich will jetzt nicht den Richter machen zwischen Männern und Weibern, sintemal ja meine Mutter ein Weib war und ich ein Mann geboren bin. Es genüge, euch für jetzt zu sagen, daß Gieronimo seine Sache nicht eben gut machte, indem er vor Fräulein Verue Schlechtes von Turchi sagte; denn er konnte sie nicht auffordern, das Geld ihm aus der Hand zu nehmen, als weil er es schlecht verwaltete und weil er nicht zuverlässig war, und somit stellte er ihn als einen Menschen hin, der seine Angelegenheiten nicht in Ordnung zu halten verstehe. Andererseits aber machte auch die Dame einen Fehler und noch viel mehr, indem sie dem Turchi anvertraute, wer ihr diesen Rat gegeben habe. Es wäre schon genug gewesen, ihm zu sagen, einige rechtschaffene Kaufleute hätten sie warnend aufgefordert, sich ihres Eigentums zu versichern, ohne sich auf irgendwelche Einzelheit einzulassen. Das mußte ich hier bemerken; denn Turchi hielt sich schon für beleidigt durch die Gefangenschaft in Lucca, dann wieder in Antwerpen, weil Gieronimo sagte, er wisse nicht, was er anfangen könne, wenn er nicht Makler werden wolle; und wiewohl er sich hernach mit ihm versöhnt hatte, war er doch entschlossen, sich dafür an ihm zu rächen; später hatte der Umstand, daß er ihm dreitausend Dukaten für Spanien lieh, die Bitterkeit seines alten Hasses so versüßt, daß er fast ganz erloschen war, wie Simone später, als er verbrannt werden sollte, eingestand. Diese letzte Beleidigung aber, die er für die größte und herbste erachtete, war Veranlassung, daß die nur schlummernde Glut des alten Hasses von neuem so aufloderte und sich entflammte, daß Simone sich vornahm, Gieronimo aus dem Wege zu räumen, entstehe daraus, was da wolle. Dazu kam noch, daß er sich in diesem schlimmen Vorsatz um so mehr befestigte, als einige Tage zuvor, indem er nachts umherging, einer seiner Feinde ihm
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