Italienische Novellen, Band 2
sprechen.«
Gieronimo glaubte dem Turchi und versprach zu kommen; auch ging er wirklich gleich nach dem Essen hin. Da er aber den Kaufmann nicht dort fand, fragte er, wo er sei. Turchi antwortete, er sei zu einem Geschäfte weggegangen, werde aber sogleich zurückkommen. In dem Augenblicke kam der Schurke von Romagner herbei und meldete, der Kaufmann komme; und da er sah, daß Deodati neben dem kunstvollen Sessel stand, packte er ihn unvermutet und setzte ihn hinein. Gieronimo meinte anfangs, der Romagner mache Spaß; doch war er nicht so bald niedergesessen, als er merkte, daß er eingeklemmt und gefangen war, und er wußte in der Bestürzung gar nicht, was er sagen sollte. Der verruchte Romagner verließ den Saal und schloß die Tür. Deodati war wie im Traume, als der Verräter Turchi einen neben ihm Hegenden kurzen Säbel ergriff und sprach: »Gieronimo, du mußt dich der schweren Beleidigungen erinnern, die du mir in Lucca und hier zugefügt hast. Jetzt sind wir nicht in Lucca, wo du mich einsperren lassen kannst; jetzt bist du in meiner Gewalt. Entweder entschließe dich, mir ein Schriftstück auszustellen des Inhalts wie das hier von mir niedergeschriebene, oder ich nehme dir mit diesem Messer das Leben.«
Der arme Deodati las das Schriftstück, durch das er sich als Schuldner von einigen tausend Talern gegen Turchi bekannte. Turchi sagte, er solle ein ähnliches Schriftstück aufsetzen. Er tat es dann eigenhändig, unterschrieb es und setzte das Datum um einige Monate zurück. Viele versichern, das Schriftstück sei andern Inhalts gewesen, Gieronimo nämlich bekenne darin, gegen Turchi in Lucca böslich verfahren zu sein; auch sei er es gewesen, der ihm die Schmarre über das Gesicht gehauen habe, damit sich ergebe, daß Turchi einen gerechten Grund gehabt habe, ihn umzubringen. Sei dem aber, wie ihm wolle, beides ist möglich. Nachdem Turchi das Schriftstück in Händen und zu sich gesteckt hatte, zog er den Säbel und versetzte dem Deodati einen Hieb über den Kopf. Da er aber schwach war, verwundete er ihn nur wenig am Schädel und an der Wange.
Der arme Gieronimo bat kläglich um Gnade: »Um Gottes willen«, rief er, »habt Erbarmen und bringt mich nicht um!«
Sei es, daß sich das Mitleid in Turchi regte, oder weil er sich nicht stark genug fühlte, was glaublicher ist, oder was immer der Grund sein mochte, – er warf den Säbel zu Boden und lief hinaus. Dort traf er Giulio, der auf ihn wartete, und sprach zu ihm: »Ich habe ihm eine Wunde beigebracht; ich kann mich aber nicht überwinden, ihn zu töten. Was sollen wir tun?«
»Was wir tun sollen?« antwortete der verruchte Romagner. »Lieber Herr, da wir den Tanz angefangen haben, müssen wir ihn auch zu Ende führen und ihn umbringen. Sonst, wenn die Sache hierbei ihr Bewenden hat, bringt er uns um den Hals.«
»So geh du«, versetzte Turchi, »und nimm ihm vollends das Leben!«
Giulio mochte in der Romagna bei ihren verwünschten Parteiungen, wo sie selbst die Kinder in der Wiege und Leute in den Kirchen umbringen, auf hundert Morde gekommen sein; so trat er denn jetzt in den Saal, hob den Säbel auf und ging auf den unglücklichen Deodati zu, der, als er ihn hinter sich herkommen sah, mit rührender Stimme zu ihm sagte: »Ach, Giulio, um Gottes Barmherzigkeit willen, bringt mich nicht um! Ich habe dir ja nie etwas zuleide getan. Wenn du mich von hier erlösen willst, so stelle ich dir im Augenblick eine eigenhändige Urkunde aus für zwei- oder dreitausend Dukaten oder noch viel mehr, wenn du mehr begehrst, und verspreche dir bei meiner Ehre, dir nie weder mit Worten noch mit Taten etwas zuleide zu tun.«
Er wollte noch weiter reden; aber der grausame Romagner versetzte ihm einen tödlichen Hieb auf den Kopf und ein paar Faustschläge auf die Brust, so daß der unglückliche Gieronimo elendiglich ums Leben kam. Als dieser schauderhafte Mord vollbracht war, trat Simone herein, machte ihn mit Giulios Hilfe vom Sessel los und schleppte die Leiche hinaus. Da ihn nun beide nicht tragen konnten, schleiften sie ihn auf dem Boden in den Keller hinab und begruben ihn dort in einem Winkel. Dann gingen sie ihren Geschäften nach, wobei sie so heiter und aufgeräumt aussahen, als hätten sie eine fromme, löbliche Handlung vollbracht.
Am Abend ward Gieronimo umsonst von den Seinigen erwartet: er kam nicht zu Tische noch zum Schlafen nach Hause. Da sich auch am folgenden Tage Gieronimo nirgends zeigte, entstanden in Antwerpen die verschiedensten
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