Italienische Novellen, Band 2
ziehen!«
»Weh«, antwortete dieser, »wer ist dieser Tote?« »Forsche nicht weiter!«, rief ihm Giulio zu, »sondern hilf mir ohne Umstände! Wir müssen ihn an den Brunnen tragen und dort hinunterwerfen.«
Der Piemontese war ein guter, schüchterner Mensch; er wußte, daß der Romagner ein ganz böser, frecher und handfertiger Bursche war, und tat also, was er wollte. Sie zogen die Leiche heraus, und nun erkannte der Piemontese an Gesicht und Kleidern sogleich darin den armen Deodati. Er wunderte sich darob nicht wenig, wagte aber doch nichts zu sagen. Sie packten nun die Leiche, der eine an den Füßen, der andere am Kopf, und gingen zum Garten hinaus. Sobald sie vor dem Tore waren, ließ der Piemontese den Körper zu Boden fallen und fing an, so schnell seine Beine ihn tragen konnten, zu laufen und zu fliehen; so daß Giulio in der Überraschung nicht so gewandt war, ihm zu folgen, da jener schon einen Vorsprang gewonnen hatte. Giulio lief ihm eine gute Strecke nach, verlor aber in der Dunkelheit der Nacht seine Spur und kehrte, da er seinen Tritt nicht mehr hörte, an den Garten zurück, wo er sich alle Mühe gab, den Leichnam in den Brunnen zu schleppen, aber umsonst. Er schleifte ihn daher ins Haus zurück, denn er war noch nicht vier Schritte vor dem Tor, schloß den Eingang und eilte ganz bestürzt und höchst verdrießlich zu Simone und erzählte ihm alles, was vorgegangen war. Turchi war fast in Verzweiflung und wußte nicht, was anfangen, da er seinen Untergang vor Augen sah. Da begann Giulio also zu sprechen: »Ich weiß nicht, wohin dieser feige Hund von Piemontesen geflohen ist; aber da er weiß, daß ich den Leichnam Gieronimos ausgegraben habe, den er ohne Zweifel erkannt haben wird, so bin ich in Todesgefahr. Mir scheint es unumgänglich, daß ich entfliehe, denn der Piemontese klagt mich an, und wenn ich geflohen bin, Ihr aber hierbleibt, so ergibt sich daraus offenbar, daß nicht Ihr des Todes Gieronimos schuldig seid, sondern ich.«
Dem Turchi gefiel der Rat des Romagners wohl. Er gab ihm daher alles Geld, was er im Beutel hatte, außerdem zwei goldene Ketten, die er in seiner Tasche fand, und die je etwa dreißig bis dreiunddreißig Taler schwer sein mochten, und versprach ihm, wohin er ginge, ihn immer mit Geld zu unterstützen. Giulio ging, als man die Tore der Stadt öffnete, hinaus und wandte sich nach Aachen.
Der Piemontese irrte die ganze Nacht umher, indem er bei sich überlegte, was er tun solle. Simone, voll schwerer Gedanken, konnte auch nicht schlafen und wußte nicht, was anfangen. Mehrmals entschloß er sich, sobald der Tag komme, zu fliehen; dann schien es ihm aber wieder, er mache sich dadurch in hohem Grade verdächtig und des vollbrachten Mordes schuldig, und da Giulio weggegangen sei, sei es sicherer für ihn, zu bleiben. Sobald es Tag wurde, suchte der Piemontese die Leute des Deodati auf und erzählte ihnen, was vorgefallen war. Dies wurde, ich weiß nicht auf welche Art, sogleich dem Simone hinterbracht. Sobald er es erfuhr, ging er in das Haus des Strafrichters und machte ihm die Anzeige, er habe gehört, daß Giulio, sein Diener, den Deodati umgebracht habe und entflohen sei. Sobald der Gerichtshalter diese Angabe erhalten hatte, suchte er seinen Oheim, einen alten und in gerichtlichen Angelegenheiten sehr gewandten Mann, auf, der auch zu seinen Gunsten auf diese Gerichtsstelle verzichtet hatte, und teilte ihm mit, was ihm über den Tod des Deodati hinterbracht worden war. Der Alte fragte ihn, ob er den Turchi festgehalten habe; er sagte: »Nein«. Dafür tadelte ihn der Oheim heftig und trug ihm auf, ihn sogleich verhaften zu lassen.
Unterdessen waren die Leute des Gieronimo, als sie den schweren und schändlichen Vorfall vernommen, zu einigen Landsleuten, die mit Gieronimo befreundet waren, gegangen, um sie zu Rat zu ziehen, was sie in diesem Falle zu tun hätten, so daß allmählich in ganz Antwerpen der Greuel dieses schändlichen Mordes bekannt wurde. Der Strafrichter schickte sogleich nach Simone und befahl ihm, als er kam, dieses Haus nicht mehr zu verlassen. Er antwortete, er werde gehorchen. Der Richter bemerkte, daß Turchi, als er diesen Befehl empfing, ganz erblaßte, und schöpfte daraus nicht geringen Verdacht, er werde schuldig sein.
Simone hatte noch Gieronimos eigenhändige Verschreibung in der Tasche. Er nahm sie, trat an das Feuer, das im Kamin brannte, und warf sie hinein. Der Gerichtshalter bemerkte dies und fragte ihn, was er hier verbrannt
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