Italienische Novellen, Band 2
gesetzt und durch alle Straßen Antwerpens geführt; der gute Bruder begleitete ihn fortwährend und sprach ihm Trost zu. Als man aber an den Markt kam, wurde der Stuhl mit dem darin eingeklemmten Simone herabgenommen und von den Gerichtsdienern rings um ihn her ein nicht sehr großes Feuer angezündet. Sie legten Holz zu, wie es erforderlich war, doch immer so, daß das Feuer nicht zu heftig wurde und der unglückliche Turchi ganz allmählich unter den größten Qualen briet. Der edle Mönch stand so nahe bei ihm, als die Glut des Feuers es erlaubte, und sprach gar oft zu ihm: »Simone, das ist die fruchtreiche Stunde der Buße.«
Der arme Mensch hatte kaum Atem, um zu reden, antwortete aber immer: »Ja, Vater!«
Und soviel sich aus äußerlichen Handlungen entnehmen und urteilen läßt, zeigte der arme Turchi die größte Zerknirschung und Geduld und ließ sich den bittern und schmählichen Tod gerne gefallen, den der Unglückliche erdulden mußte.
Als sie ihn sodann tot sahen, nahmen sie den Leichnam, ehe ihn das Feuer ganz verzehrt hatte, halb verbrannt heraus, trugen ihn vor die Stadt und banden ihn an einen hohen Balken, mit eisernen Ketten gefesselt, und gürteten ihm den Pistojer Säbel um, womit er den Deodati umgebracht hatte. Dieser Balken ward fest in die Erde gerammt an einer viel gebrauchten Hauptstraße, damit jedermann sehe, welch ein schmählicher Tod dem widerfahren sei, der einen solchen Mord so grausam ausgeführt hatte.
Ich glaube nun gerne, daß der arme Simone seine Sünden bereute und, wie der Augenschein ergab, zum Tode gefaßt war, und da er einmal durchaus sterben mußte, auch sich wenig darum kümmerte, welches Todes er sterben müsse, wenn er nur ohne Schmach und Schande gestorben wäre; denn nicht die Art der Todesstrafe, sondern die Ursache desselben ist es, die den Tod verabscheuenswürdig und schimpflich macht. Die Tugend kann jede Art des Todes zu Ehren bringen; der Tod aber, in welcher Weise er auch komme, kann der Tugend niemals einen Flecken anhängen.
Da der Bauer, den Giulio mit dem Briefe hergesandt hatte, von dem Richter festgehalten ward, schickte der Rat von Antwerpen einen Botschafter nach Aachen an den Gerichtshof mit dem Ersuchen, den treulosen Romagner herzusenden, um ihn strenge zu bestrafen. Jene Herren wollten ihn aber nicht ausliefern; damit jedoch sein Verbrechen nicht unbestraft bleibe, ließen sie ihn festsetzen, und er bekannte den Mord, wie er vorgefallen war. Man ließ ihm daher Arme, Schenkel und Beine abschlagen, die Brust zerstoßen und flocht ihn sodann auf ein Rad, wo er nach zwei Tagen verdientermaßen starb.
Um nun aber zu schließen, so kann man sagen, daß, wer das Ende seiner Handlungen wohlbedenkt, selten schlecht handelt; und wer nicht daran denkt, der lebt und stirbt wie ein Tier. Daher kann man behaupten, daß dieses unser Leben ein wogendes Meer sei voll alles Elends. Auch muß ich euch sagen, daß Herr Johannes der Blonde, der das Chronicon Carionis vom Latein ins Französische übersetzte, in seinen Zugaben kurz dieses schauderhaften Falles Erwähnung tut und Simone Turchi und Gieronimo Deodati namentlich nennt, damit man nicht glaube, ich allein erzähle von diesem fluchwürdigen Morde.
Francesco Maria Molza
1480–1544
Schlimmer und schlimmer!
In Parma, einer sehr berühmten Stadt in der Lombardei, lebte vor nicht gar langer Zeit ein Wollkrempler namens Ginese, und weil er von Mantua abzustammen behauptete, gab man ihm den Beinamen der Mantuaner. Da sich dieser nun einsam fühlte und dabei im Verhältnis zu seinesgleichen wohlhabend, entschloß er sich, ein Weib zu nehmen, und da ihm eine Nachbarin gefiel, wußte er, obwohl schon etwas bei Jahren, so geschickt um sie herumzuscherwenzen, daß er seinen Wunsch erreichte. Er heiratete sie so schnell wie möglich und führte sie heim mit ihrem Sohne, welcher Ghedino hieß und etwa achtzehn Jahre alt war; die Frau hatte denselben von einem früheren Gatten. Der Mantuaner begann, um diese seine Familie zu erhalten, mit der Mitgift seiner Frau Handel zu treiben und war so tätig, daß er bei seiner Geschicklichkeit in seinem Handwerk ganz froh und heiter lebte und sich gute Tage machen konnte. Als er nun sah, daß es ihm in allen Stücken nach Wunsch ging, dachte er daran, wenn sich Gelegenheit böte, auch seinem Stiefsohn Ghedino ein Weib zu geben; dann könnten sie alles mit der Mitgift von dessen Frau zusammenwerfen, ihren Wohlstand bedeutend erhöhen und mit der Zeit reich werden. Er
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