Italienische Novellen, Band 2
seinem Sohne seinen Segen, kehrte sich nach der Wand hin und hauchte, nach Verlauf einer Viertelstunde, seine Seele aus.
Rainaldo war kaum gestorben und hatte Salardo in dem vollen Genusse seiner irdischen Glücksgüter gelassen, als der reiche, vornehme und lebenskräftige Jüngling, anstatt auf das Seelenheil seines alten Vaters und auf die vielerlei Geschäfte Bedacht zu nehmen, die die gewöhnliche Folge eines neu angetretenen Besitztumes sind, ein Weib von seinem Stande und nach seinem Sinn heimzuführen beschloß. Es war noch kein Jahr seit dem Tode seines Vaters vergangen, so vollzog Salardo diesen Beschluß und vermählte sich mit Theodora, der Tochter Monsignore Odescalco Dorias, eines der ersten genuesischen Edlen. Als schön und wohlerzogen wurde die junge Frau, wenn sie auch ein wenig spröde war, von ihrem Gatten doch so sehr geliebt, daß er nicht von ihrer Seite wich. Da ihre Ehe indessen nichtsdestoweniger nach mehrjähriger Dauer eine kinderlose blieb, so hielt Salardo, mit Zustimmung seiner Gattin, dafür, den letzten väterlichen Ermahnungen zuwider, einen Knaben fremder Eltern an Kindesstatt anzunehmen, zu erziehen und zu seinem rechtmäßigen dereinstigen Erben einzusetzen. Was er sich in seinem Innern vorgenommen hatte, führte er unverzüglich aus, und so adoptierte er den Posthumio genannten Sohn einer armen Witwe, der von ihm und seiner Gemahlin vielleicht liebreicher und nachsichtiger, als es sich schicken wollte, ernährt und erzogen wurde.
Nach Verlauf einiger Zeit kam es Salardo in den Sinn, von Genua wegzuziehen und sich anderswo niederzulassen, nicht etwa weil diese Stadt nicht schön und herrlich genug gewesen wäre, sondern von einem jener unerklärlichen, unbestimmten Gelüste dazu angeregt, die ein unabhängiger, keinem Gebieter untergebener Mensch wohl je zuweilen hegt.
Er versah sich demnächst hinlänglich mit Juwelen und Geld, brachte seine Pferde und Sachen in die erforderliche Ordnung und machte sich mit Theodora, seiner vielgeliebten Frau, und mit Posthumio, seinem Pflegesohne, von Genua durch Piemont nach Monferrato auf den Weg, wo er seine Wohnung aufschlug und, nach seinem Gutdünken, allmählich bald mit diesem, bald mit jenem Bürger freundschaftlichen Umgang pflegend, bald auf die Jagd mit ihnen ging, bald in anderen Vergnügungen und Ergötzlichkeiten, die er überhaupt sehr liebte, ihr Genosse wurde. Er bewies dabei jedwedem so große Freigebigkeit, daß er sich bei aller Welt nicht nur Liebe, sondern auch Hochschätzung erwarb, und daß der Ruf von seinem adeligen Wesen sogar bis zum Ohr des Markese drang, der zu Salardo, als zu einem edlen, reichen, verständigen und zu jedem Unternehmen fähigen Jünglinge, eine so mächtige Zuneigung faßte, daß er keinen Tag mehr ohne ihn leben und bestehen konnte. Ja, eine so innige Freundschaft verband die beiden Männer nach und nach, daß, wer da irgendeine Gnade von dem Herrn erlangen wollte, Salardos Vermittlung dazu in Anspruch nehmen mußte, weil sie ihm sonst gewiß verweigert wurde. Aus Dankbarkeit dafür, daß er sich vom Markese eine so hohe Stellung angewiesen sah, bemühte sich Salardo seinerseits auf das eifrigste, sich ihm in allem, was ihm nach seinem Bedünken angenehm sein konnte, gefällig und dienstfertig zu erweisen.
Der Markese, gleichfalls jung und der Sperberjagd sehr zugetan, hatte in seinem Hofe viele Vögel, Jagdhunde und andere dergleichen Tiere, wie es sich denn eben für einen so großen Herrn geziemen mag, würde jedoch nimmermehr, weder auf Jagd noch Vogelfang, ohne Salardos Begleitung ausgegangen sein.
Als nun Salardo sich eines Tages zufälligerweise allein in seinem Zimmer befand, hub er still bei sich zu erwägen an, in wie großen Ehren ihn der Markese halte, führte sich das anmutige, gesittete und ehrbare Wesen seines Sohnes Posthumio sowie dessen Folgsamkeit zu Gemüte und sprach, in solcherlei Gedanken versunken, zu sich selbst: »Wie sehr täuschte sich doch mein Vater in seinen letzten an mich gerichteten Ermahnungen! Ich bin überzeugt, er muß, wie es so vielen, alten Leuten geschieht, noch vor seinem Tode kindisch geworden sein. Ich weiß nicht, welche Torheit, ja Verblendung ihn antrieb, mir ausdrücklich zu verbieten, keinen von fremden Eltern erzeugten Sohn an Kindesstatt anzunehmen, keinem unumschränkt gebietenden Herrn zu dienen. Ich erkenne jetzt, wie seine Vorschriften so gar nicht auf einem vernünftigen Grunde beruhten, indem nicht nur Posthumio, mein angenommener
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