Italienische Novellen, Band 2
willst du, daß er es erfahren soll? Es weiß niemand etwas davon, als du und ich. Und ich bitte und beschwöre dich bei deiner Liebe zu mir, dies mein Geheimnis ja nicht zu verraten, weil du, wenn du es nicht streng in dein Inneres verschlossen hieltest, unfehlbar dein eignes wie mein Verderben herbeiführen würdest.«
Die Frau entgegnete: »Zweifle nicht, daß ich weit eher den Tod erleiden, als ein solches Geheimnis offenbaren möchte!«
Wie solchergestalt nun der Falke gargekocht und wohlzubereitet worden war, setzten sich Salardo und Theodora zu Tisch; da aber Theodora nicht mit essen wollte, sondern ihrem Gemahle, der sie mit sanften Worten dazu anhielt, spitze Reden anzuhören gab, hob Salardo am Ende seine Hand empor und reichte ihr einen so derben Streich auf die rechte Wange, daß diese über und über rot wurde. Theodora fing heftig an zu weinen, beschwerte sich schmerzlichst über diesen Schlag, stand vom Tische auf und entfernte sich von Salardo, murrend und drohend: sie werde ihm ihr ganzes Leben lang diese Mißhandlung nicht vergessen und zu schicklicher Zeit und Gelegenheit ihre Rache dafür an ihm nehmen.
Des anderen Morgens stand sie frühzeitig aus dem Bette auf, kleidete sich eilig an und begab sich ohne Zögerung zu dem Markese, dem sie die Tötung seines Falken genau berichtete.
Den Markese entzündete die Aussage der ungetreuen Gattin zu solchem Zorne und zu solcher Wut, daß er den armen Salardo augenblicklich festnehmen ließ, dessen Verteidigungsgründe und Rechtfertigung durchaus nicht anhören wollte und ihn an dem Galgen aufzuhängen, sein Vermögen aber in drei Teile zu teilen befahl, von denen einen die Gattin, die ihn angeklagt hatte, den anderen der Pflegesohn und den dritten derjenige erhalten sollte, der seinen Henker abgeben wolle.
Posthumio, ein Jüngling von einnehmendem und wohlgestaltetem Äußeren, lief, als er den über seinen Pflegevater gefällten Urteilsspruch und die Güterteilung vernahm, spornstreichs zu seiner Mutter Theodora und sagte zu ihr: »Oh, liebe Mutter! Würde es nicht geratener sein, ich knüpfte selbst den Vater auf und verdiente mir so den dritten Teil seines Erbes dazu, als daß ich das viele Geld in eines Fremden Hände übergehen ließe?«
Theodora erwiderte ihm: »Du hast in der Tat wohlgesprochen, mein werter Sohn; denn wofern du dies vollbringst, bleibt Salardos Vermögen unversehrt in unserem Besitze.«
Also begab sich Posthumio unbedenklich zu dem Markese, ersuchte ihn um die Gnade, seinen Vater selbst henken zu dürfen, damit er also auch der Erbe des dritten Teiles seines Hab und Gutes würde, und der Markese gestand ihm huldreich diese Bitte zu.
Salardo hatte seinen Freund Fransoe, den er in sein Geheimnis gezogen, ersucht, sobald er von den Bütteln zum Tode abgeführt würde, zu dem Markese zu gehen, denselben flehentlich zu bitten, ihn vor Vollziehung des Urteils noch einmal vor sich kommen zu lassen und ihm gnädiges Gehör zu verleihen, und der redliche Freund tat genau, um was er von Salardo gebeten worden war. Derweil nun der Unglückliche, Hände und Füße in Fesseln geschlagen, in seinem harten Gefängnisse saß und von Stunde zu Stunde abgeführt zu werden gewärtigte, um den schmählichsten Tod am Galgen zu erleiden, sprach er bitter lieh weinend vor sich selbst: »Jetzt erkenne und verstehe ich klar und deutlich, wie die lange Erfahrung und die Weisheit meines alten Vaters für mein Seelenheil besorgt gewesen ist. Er, der Kluge und Verständige, gab mir einen so vortrefflichen Rat, und ich Unglücklicher, ich Unsinniger, verschmähte ihn! Um mich vor meinem Verderben zu bewahren, gebot er mir, meine haushohen Feinde zu fliehen, und ich habe mich ihnen zum Raube anheimgegeben, damit sie mich töten und sich meines Todes erfreuen! Er, mit der Natur der Fürsten wohlbekannt, die in einer und derselben Stunde Heben und hassen, erhöhen und demütigen, ermahnte mich, ihnen fernzubleiben, und ich Unvorsichtiger suchte sie auf, damit ich durch sie um Vermögen, Ehre und Leben käme! Oh, wollte Gott, ich hätte nimmermehr mein ungetreues Weib versucht! Oh, Salardo, wie viel zuträglicher würde es dir gewesen sein, wärest du in die väterlichen Fußtapfen getreten und hättest Schmeichlern und Speichelleckern das Amt überlassen, Fürsten und großen Herren den Hof zu machen und vor ihnen zu kriechen! Jetzt sehe ich, wohin mich mein allzu großes Vertrauen auf mich selbst, mein Weib und meinen gottlosen Pflegesohn, vor allen
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