Italienische Novellen, Band 2
will dir seine Unschuld unwidersprechlich dartun. Gib ihm nur eine Stunde Frist, um der Gerechtigkeit willen, die du gleichwie deine Vorfahren jederzeit ausgeübt hast! Es werde nicht von dir gesagt, o Herr, daß du deine besten Freunde so übereilterweise grundlos den Tod erleiden läßt!« Der Markese sprach, auf das heftigste gegen Fransoe erbittert: »Sieh dich vor, daß du nicht am Ende Salardos Schicksal teilst! Wenn du das Feuer meines Zornes noch ein wenig mehr anfachst, so gebe ich dir mit meiner eigenen Hand den Tod.«
»Ich habe nichts dawider, gnädiger Herr, daß meinen langjährigen getreuen Diensten dieser Lohn bereitet und ich selbst in Gemeinschaft mit Salardo aufgehängt werde, wenn du ihn nicht für schuldlos erkennen mußt.«
Der Markese ermaß Fransoes Seelengröße, bedachte, wie er sich doch, ohne Salardos gänzliche Rechtfertigung, gar nicht verbindlich machen solle, ihn zu begnadigen, und sagte, er willige darein, daß die Hinrichtung eine Stunde aufgeschoben werde; beweise ihm jedoch mittlerweile Fransoe Salardos Unschuld nicht, so möge er sich zu gemeinschaftlichem Tode mit dem Verbrecher bereiten. Er rief darauf einen seiner Diener in seine Gegenwart und gebot ihm, alsobald auf den Richtplatz zu eilen und den Dienern der Gerechtigkeit in seinem Namen zu befehlen, ihr weiteres Verfahren gegen Salardo einzustellen und ihn gebunden, wie er sei, und mit dem Stricke um den Hals, in Begleitung des Henkers vor ihn zu bringen.
Indem nun Salardo, zufolge dieses Befehls, vor dem noch immer umwölkten Angesichte seines Gebieters stand, redete er ihn mit aller Hoheit seines Gemütes solchergestalt ruhig und entschlossen an: »Meine Treue gegen dich, mein Fürst, und die Liebe, mit der ich dir unaufhörlich zu eigen gewesen bin, haben die Kränkungen und die Schande nicht verdient, die du mir durch einen so schmählichen Tod antust. Wenn auch dein Zorn über meine große Torheit, vorausgesetzt, daß es eine Torheit war, dich so unnatürlicherweise gegen mich aufbringen konnte, so durftest du mir doch nicht ungehört und ungerichtet so schleunig das Leben absprechen. Der Falke, wegen dessen vermeintlicher Tötung du einen so unversöhnlichen Groll auf mich geworfen hast, ist lebendig und unversehrt. Ich nahm ihn dir, weder um ihn zu töten, noch um dich zu beleidigen, sondern einzig und allein, um eine geheime Erfahrung damit zu machen, die dir gegenwärtig kundwerden soll.«
Er bat nunmehr den anwesenden Fransoe, den Falken herbeizubringen und seinem fürstlichen Herrn wieder zuzustellen, und erzählte vom Anfange bis zu Ende die Geschichte der liebreichen Lebensregeln, die ihm sein sterbender Vater gab, und seiner frevelhaften Geringschätzung derselben.
Über das Anhören der aus dem innersten Herzen kommenden Worte Salardos und über den Anblick seines fetten und schöner als jemals aussehenden Falkens fühlte sich der Markese eine Zeitlang der Sprache beraubt. Sobald er ein wenig wieder zu sich selbst und zur Einsicht in das große von ihm an seinem Freunde begangene Unrecht gekommen war, schlug er seine mit Tränen erfüllten Augen zu Salardo empor, sah ihn fest an und sprach zu ihm: »Salardo, wenn du in diesem Augenblick mein innerstes Herz schauen könntest, so würdest du offenbar erkennen, daß der Strick, der dir bisher deine Hände gebunden hat, und die Schlinge um deinen Hals dir nicht so viel äußere Schmerzen als mir innere machen, der ich nicht hoffen kann, um des dir zugefügten Unrechtes willen, jemals wieder heiter und zufrieden zu werden. Wenn es möglich wäre, das Geschehene auf irgendeine Weise ungeschehen zu machen, – ich vollbrächte es. In Anbetracht der Unmöglichkeit dieser Aufgabe jedoch werde ich es als meine heiligste Pflicht ansehen, dir das erlittene Ungemach, so sehr ich es imstande bin, zu vergüten.«
Bei diesen Worten nahm ihm der Markese den Strick mit eigenen Händen vom Halse ab, band ihm die Hände los, umarmte ihn mit großer Herzlichkeit, indem er ihn zu wiederholten Malen küßte, und zog ihn an seiner rechten Hand neben sich zum Sitzen nieder.
Der Markese verlangte zwar auch, daß Posthumio wegen seiner schlechten Aufführung der Strick um den Hals gelegt und er daran aufgehängt würde; Salardo gestattete es aber nicht, sondern ließ ihn vor sich rufen und sagte ihm bloß: »Posthumio! Du, den ich um Gottes Barmherzigkeit willen von Kindesbeinen an bis zu diesem deinem reifen Alter ernährt und erzogen habe, ich weiß, beim Himmel, nicht, was ich
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