Italienische Novellen, Band 2
Dingen aber mein allzu großer Glaube an den undankbaren Markese verleitet hat! Jetzt weiß ich ganz genau, wie sehr er mich liebt; denn er hätte mir doch wahrhaftig keine schlimmeren Kränkungen antun können, als er mich gegenwärtig erfahren läßt. Ich sehe nun wohl die Wahrheit des gemeinen Sprichwortes ein, das da lautet: Herrengunst und Flaschenwein pflegen oft schon über Nacht versauert zusein. Oh, unglücklicher Salardo, wie weit ist es mit dir gekommen! Wo ist jetzt dein Adel? Wo sind deine lieben Verwandten, deine Reichtümer, wo ist dein Ansehen und deine Macht hin? Oh, mein Vater! Wenn du aus den seligen Höhen, in denen du weilen magst, jetzt herniederschauend, mich aus keinem anderen Grunde zum Tode verdammt siehst, als weil ich deinen weisen, liebevollen Wünschen nicht folgsam gewesen bin, so hoffe ich, wirst du nicht allein meine heißen Bitten um Vergebung mir gewähren, sondern auch dein Gebet zum Höchsten richten, mit meinen jugendlichen Irrtümern Erbarmen zu haben.«
Salardo hatte dies Selbstgespräch kaum heimlich in sich beendigt, als Posthumio, sein angenommener Sohn, wie ein alter entschlossener Henker mit der Häscherschar zu ihm in den Kerker trat, dreist auf ihn zuschritt und zu ihm sagte: »Da Ihr, mein bester Vater, nach dem Urteilsspruche des Herrn Markese unwiderruflich denn einmal gehängt werden müßt, und da, wie Ihr selbst wißt, der dritte Teil Eurer Güter dem zufallen soll, der Euch aufknüpft, so werdet Ihr, bei der Liebe, mit der Ihr mir immerdar gewogen gewesen seid, es mir sicherlich nicht übel aufnehmen, sondern zufrieden sein, daß ich selbst dieses Amt vollstrecke, damit ein so großer Teil Eurer Güter nicht in Fremder Hände komme und im Gegenteile bei den Eurigen verbleibe.«
Salardo hatte den Worten seines Sohnes ein aufmerksames Gehör geliehen und entgegnete: »Gott segne dich, mein Sohn: was du da gesprochen hast, gefällt mir wohl, und wenn ich vorher unwillig zu sterben war, so sehne ich mich nunmehr innig nach dem Tode. Vollbringe die Pflicht, die du übernehmen willst, und zögere nicht!«
Posthumio bat ihn um Vergebung, küßte ihn auf den Mund, ergriff dann den Strick und warf ihn ihm um den Hals, indem er ihn zu geduldiger Ertragung der Todesstrafe ermahnte und ihn tröstete.
Erstaunt und verstummt über den furchtbaren Wechsel seines Schicksals, wandelte Salardo, die Hände gebunden auf dem Rücken, den Strick um den Hals, in Begleitung des Henkers und der Schergen, eilfertigen Schrittes aus dem Kerker hervor nach dem Richtplatze. Daselbst angelangt, stieg er, mit dem Rücken gegen die an den Galgen gelehnte Leiter gewendet, von Sprosse zu Sprosse empor, schaute sich, als er standhaften und unerschrockenen Mutes die letzte erreicht hatte, unter dem unten versammelten Volke um, dem er umständlich die Ursache, aus welcher er zum Tode verurteilt worden sei, erzählte, und bat sodann mit sanften, liebreichen Worten einen jeden, den er etwa beleidigt habe, um Verzeihung, indem er noch überdies alle Söhne im allgemeinen ermahnte, ihren alten Vätern immer gehorsam zu sein.
Das Volk hörte den Grund zu Salardos Verdammungsspruch und vergoß unzählige Tränen der Teilnahme an dem Schicksale des bedauernswerten Jünglings, der ein längeres Leben sich sogar nicht zu wünschen schien. Zu gleicher Zeit aber mit diesen Vorgängen war Fransoe in den Palast geeilt und hatte den Markese folgendermaßen angeredet: »Wenn jemals, mein erlauchter Herr, ein Funken von Mitleiden in der Brust eines gerechten Richters zu finden war, so darf ich hoffen, es in Euch zu entzünden, wenn es mir gelingt, Eure gewohnte Milde die Unschuld des Freundes erkennen zu lassen, der gegenwärtig in den Tod geführt wird, ohne daß er weiß warum. Was bewog Euch denn, mein erhabener Fürst, Salardo, der Euch mit Leib und Seele ergeben ist, das Leben abzusprechen? Er hat Euch weder in der Tat noch selbst in Gedanken gekränkt und beleidigt. Gesteht mir, ich beschwöre Euch, nur so viel zu, daß der zuverlässigste Eurer Freunde, ehe er sterbe, vor Eurem Antlitz erscheinen und Euch seine Unschuld offenbaren darf!«
Der Markese wollte Salardos Fürsprecher mit zornglühenden Augen ohne Antwort von sich stoßen; Fransoe warf sich aber vor ihm zur Erde nieder, umfaßte weinend seine Kniee und rief unter lautem Schluchzen: »Gnade, o gerechter Richter! Gnade, o gütiger Fürst! Ich bitte dich um deiner selbst willen, laß Salardo nicht ungehört sterben! Laß deinen Zorn fahren: ich
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