Italienische Novellen, Band 2
mit dir anfangen soll. Auf der einen Seite zieht mich meine bisherige Liebe zu dir hin, auf der anderen stößt mich meine gerechte Entrüstung über deine Missetaten von dir ab. Die eine will, daß ich, als ein guter Vater, dir vergebe, die andere treibt mich zu unerbittlicher Strenge gegen dich an. Was soll ich tun? Wofern ich dir verzeihe, wird man mit Fingern auf dich zeigen; nehme ich meine gerechte Rache dagegen an dir, so handle ich dem göttlichen Gebote entgegen. Damit ich nun weder zu milde noch zu grausam sei, so will ich die goldene Mittelstraße einschlagen und weder eine körperliche Strafe über dich verhängen, noch dir ganz und gar verzeihen. Nimm diesen Strick, den du mir um den Hals geschlungen hattest, und behalte ihn zur Entschädigung für meine Güter, nach deren ungeteiltem Besitze du trachtetest; sei meiner und deines schweren Verbrechens an mir immer eingedenk und bleibe mir so fern, daß ich niemals wieder etwas von dir höre!«
Nachdem er dies gesagt hatte, jagte er den Schelm aus seiner Gegenwart hinweg in sein Unglück: man hat späterhin nimmermehr vernommen, was aus ihm geworden ist. Theodora, zu deren Ohren das Gerücht von Salardos Befreiung auch schon gedrungen war, entfloh aus seinem Hause nach einem frommen Nonnenkloster, wo sie ihr Leben bußfertigerweise beschloß. Salardo nahm in kurzem Abschied vom Markese, verließ Monferrato und ging nach Genua zurück, wo er lange Jahre in Frieden lebte, den größten Teil seines Besitztums zu guten Werken anwandte und nur so viel für sich behielt, als er zu seinem einfachen Unterhalt benötigte.
Die ungetreue Polissena
Die Stadt Venedig, durch die Anordnung ihrer Obrigkeiten höchst edel, reich an verschiedenen Arten von Leuten und glücklich durch ihre geheiligten Gesetze, liegt am Ende des Meerbusens des Adriatischen Meeres und heißt die Königin der andern Städte, die Zuflucht der Unglücklichen, die Unterkunft der Unterdrückten, und hat das Meer zur Mauer und den Himmel zum Dache; und wiewohl nichts daselbst wächst, so ist doch eine Fülle daselbst, wie sie für eine große Stadt paßt. In dieser edeln, großartigen Stadt nun befand sich in früherer Zeit ein Kaufmann mit Namen Dimitrio, ein rechtschaffener, braver und frommer Mann, aber aus niederem Stande. Da er sehr wünschte, Kinder zu bekommen, nahm er eine liebenswürdige, anmutige Jungfrau zur Ehe namens Polissena, die so heiß von ihm geliebt wurde, daß niemals noch ein Mann sein Weib so sehr liebte wie er sie. Sie kleidete sich so prächtig, daß außer den Edelfrauen ihr an Kleidern, Juwelen und großen Perlen es keine zuvortat. Dabei hatte sie einen Überfluß an den feinsten Speisen, welche, da sie für ihre niedrige Herkunft nicht paßten, sie üppiger und zärtlicher machten, als sie sonst geworden wäre.
Dimitrio, der schon früher viele Seereisen gemacht hatte, beschloß mit Waren nach Cypern zu gehen, bestellte und versah das Haus reichlich mit Lebensmitteln und allem, was in ein Haus gehört, ließ seine liebe Frau mit einer jungen kugelrunden Magd allein und nahm von Venedig Abschied, um seine Reise anzutreten. Polissena, die sich dem Wohlleben und der Üppigkeit ergab, fühlte sich sehr kräftig und konnte den scharfen Stachel der Liebe nicht länger ertragen, faßte daher einen Geistlichen ihres Kirchspiels ins Auge und verliebte sich heftig in ihn. Er war jung und nicht minder einnehmend als schön und gewahrte eines Tages, daß Polissena ihn mit Liebesblicken verfolgte. Ihr Aussehen gefiel ihm, ihre Person schien ihm reizend, und er bemerkte, daß sie alle Vorzüge des Äußern besitze, die zu einer schönen Frau gehören; deshalb fing er denn an, sehr emsig insgeheim mit ihr zu liebäugeln; und ihre treuen frommen Seelen erfüllten sich so mit wechselseitiger Liebe, daß in kurzem Polissena den Pfaffen ungesehen ins Haus führte, um ihren Lüsten zu frönen. Dieser Liebeshandel dauerte in aller Verborgenheit mehrere Monate fort, und sie erneuerten vielmals die festen Umarmungen und süßen Küsse, während der törichte Ehemann den Gefahren des empörten Meeres sich aussetzte.
Als aber Dimitrio einige Zeit in Cypern gewesen war und aus seinem Handel einen sehr hübschen Gewinn gezogen hatte, kehrte er nach Venedig zurück, landete, ging nach seiner Wohnung und fand sein liebes Weib, welches laut weinte. Auf die Frage nach der Ursache ihres heftigen Weinens antwortete sie: »Teils wegen der schlimmen Zeitung, die ich erhalten, teils auch wegen
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