Italienische Novellen, Band 2
dieser übeln Behandlung vermochte; denn er meinte, Ghirotto mit seinem Stocke sei ihm beständig auf den Fersen. Er legte sich zu Bett und blieb mehrere Tage darin, bis er sich wieder erholt hatte. Ghirotto hatte unterdessen mit seiner Giliola auf Kosten des Herrn Simplicio trefflich zu Nacht gegessen und begab sich nunmehr zur Ruhe.
Nach einigen Tagen, als Giliola an den Brunnen kam, sah sie Herrn Simplicio wieder, der in der Halle an seinem Hause auf und ab ging, und grüßte ihn mit heiterem Gesicht, indem sie sagte: »Fick.«
Herr Simplicio aber, der noch die wegen dieses Wortes empfangenen Schläge fühlte, rief ihr entgegen:
Nichts guten Tag! Nichts Fick noch Fack!
Du kriegst mich nimmer in den Sack!
Als Giliola das hörte, schwieg sie und kehrte errötend nach Hause zurück. Herr Simplicio aber änderte nach einer so außerordentlichen Erfahrung seinen Sinn und behandelte seine Frau, die er fast gehaßt hatte, mit größerer Aufmerksamkeit und Liebe und warf seinen Haß auf fremde Weiber, damit ihm fürder das nicht mehr widerfahre, was ihm neulich widerfahren war.
Der Ring
(Shakespeare, Die lustigen Weiber von Windsor)
Gallese, König von Portugal, hatte einen Sohn namens Nerino, den er dergestalt erziehen ließ, daß er bis zum achtzehnten Jahr seines Alters keine andere Frau zu sehen bekam als seine Mutter und die Amme, die ihn säugte. Als nun aber Nerino zur Volljährigkeit gelangt war, beschloß der König, ihn auf die Universität Padua zu schicken, um dort die lateinische Literatur, die Sprache und die Sitten Italiens kennenzulernen. Gedacht, getan. Als der junge Nerino in Padua angelangt war, schloß er Freundschaft mit vielen Studenten, die ihm täglich den Hof machten. Unter diesen war auch ein Arzt, der sich Meister Raimondo Brunello den Physiker nannte. Da sie nun oft sich über verschiedene Dinge miteinander unterhielten, kamen sie eines Tages, wie es unter jungen Leuten zu geschehen pflegt, auch auf die Schönheit der Frauen zu sprechen, und der eine sagte dies, der andere jenes. Nerino aber, weil er früher keine Frau gesehen hatte als seine Mutter und seine Amme, behauptete mit großer Entschiedenheit, daß seinem Urteil nach in der ganzen Welt keine schönere, anmutigere und stattlichere Frau zu finden sei als seine Mutter, und alle, die man ihm nannte, behandelte er im Vergleich mit seiner Mutter wie Gesindel.
Meister Raimondo, der eine der schönsten Frauen hatte, die je die Natur geschaffen, rückte sich über diese Possen die Halskrause zurecht und sprach: »Herr Nerino, ich kenne ein Weib von so großer Schönheit; sähet Ihr sie, Ihr würdet sie nicht für minder schön, vielmehr für schöner als Eure Mutter erachten.«
Nerino antwortete, er könne nicht glauben, daß sie schöner sei als seine Mutter; aber es würde ihm Vergnügen machen, sie zu sehen. Worauf Raimondo versetzte: »Wenn es Euch gefällig ist, sie zu sehen, so bin ich erbötig, sie Euch zu zeigen.«
»Das wird mir sehr lieb sein«, entgegnete Nerino: »ich werde Euch dafür verbunden sein.«
»Wenn es Euch also behebt, sie zu sehen«, begann hierauf Meister Raimondo, »so kommt morgen früh in die Domkirche, und ich verspreche Euch, sie Euch zu zeigen.«
Alsdann ging er nach Hause und sprach zu seiner Frau: »Steh morgen zeitig auf, ordne dein Haar, mache dich schön und kleide dich anständig: denn ich will, daß du zur Zeit der Messe in den Dom gehst, das Hochamt zu hören.«
Genobbia (so hieß die Gattin des Meister Raimondo) war nicht gewohnt, viel hinundherzulaufen, sondern brachte fast den ganzen Tag mit Nähen und Sticken zu Hause zu. Sie verwunderte sich daher über dieses Ansinnen nicht wenig; weil es aber sein Wunsch und Wille war, so ergab sie sich darein und kleidete und rüstete sich so herrlich, daß sie nicht eine Frau, sondern eine Göttin schien. Als Genobbia nun nach ihres Gatten Befehl in den heiligen Tempel gegangen war, kam auch Nerino, der Königssohn, in die Kirche, und da er Genobbia sah, hielt er sie in seinem Sinne für außerordentlich schön. Als die schöne Genobbia sich entfernt hatte, kam Meister Raimondo, trat zu Nerino und sprach: »Nun, was dünkt Euch von der Frau, die soeben aus der Kirche gegangen ist? Meint Ihr, daß sich irgendeine neben sie stellen dürfe? Ist sie nicht schöner als Eure Mutter?«
»In der Tat«, sagte Nerino, »sie ist schön; die Natur könnte keine schönere schaffen. Aber seid so gut und sagt mir, wessen Frau sie ist, und wo sie
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