Italienische Novellen, Band 2
entfernte sich wieder, ohne etwas zu merken. Ein Gleiches tat auch Nerino.
Des andern Tages, als Nerino sich auf dem Marktplatze erging, kam zufällig Meister Raimondo vorüber, dem Nerino durch Winken andeutete, daß er ihn zu sprechen wünsche, worauf er auf ihn zuging und sprach: »Messere, habe ich Euch nicht gute Botschaft zu bringen?«
»Und welche?« fragte Meister Raimondo.
»Kenne ich nicht jetzt«, sagte Nerino, »die Wohnung jener wunderschönen Frau? Hatte ich nicht anmutige Unterredungen mit ihr? Und als ihr Mann nach Hause kam, verbarg sie mich in dem Bette und zog die Vorhänge zu, damit er mich nicht sehen konnte, worauf er sich auch sogleich wieder entfernte.«
»Ist dies möglich?« sagte Meister Raimondo.
»Möglich«, versetzte Nerino, »und wirklich; und in meinem Leben habe ich kein herrlicheres, holdseligeres Weib gesehen. Solltet Ihr sie vielleicht nächstens besuchen, so empfehlt mich ihr und bittet sie, mich in gutem Andenken zu behalten!«
Meister Raimondo versprach ihm dies zu tun und nahm unwillig Abschied. Doch fragte er zuerst Nerino: »Werdet Ihr wieder hingehen?«
Nerino versetzte: »Das könnt Ihr Euch denken.«
Meister Raimondo begab sich nach Hause, entschloß sich aber, seiner Frau nichts zu sagen, sondern abzuwarten, bis er sie zusammen fände. Am folgenden Tag besuchte Nerino Genobbia wieder, und während sie sich den Freuden der Liebe und ergötzlichen Gesprächen hingaben, kam plötzlich der Mann nach Hause. Sie aber verbarg den Nerino geschwind in einem Koffer und warf eine Menge Kleider darüber, die sie abscheren wollte, um sie vor den Motten zu wahren. Der Mann stellte sich, als suche er etwas von seinen Sachen, durchstöberte das ganze Haus, guckte sogar in das Bett hinein, aber er fand nichts und ging sodann beruhigter hinweg und besuchte seine Patienten.
Auch Nerino entfernte sich gleichfalls, und als er dem Meister Raimondo wieder begegnete, sprach er zu ihm: »Herr Doktor, da komme ich eben von der schönen Frau; aber das neidische Geschick hat mir alle Freude verkümmert, denn ihr Mann kam dazu und störte alles.«
»Und wie entkamt Ihr?« fragte Meister Raimondo.
»Sie schloß einen Koffer auf«, antwortete Nerino, »und steckte mich hinein, und darüber her warf sie eine Menge Kleider, welche sie bearbeitete, daß sie nicht schäbig würden. Er aber kehrte das Bett um und um, und als er nichts fand, ging er seiner Wege.«
Wie verdrießlich dies Meister Raimondo gewesen sein muß, mag sich jeder vorstellen, der weiß, wie die Liebe tut.
Inzwischen hatte Nerino Genobbia einen schönen kostbaren Diamant geschenkt, in dessen goldner Fassung sein Kopf und sein Name eingegraben stand. Des andern Tages, als Meister Raimondo ausgegangen war, seine Kranken zu besuchen, ließ die Frau den Nerino wieder ins Haus; und kaum war sie mit ihm in den Freuden der Liebe und anmutigen Wechselreden begriffen, so kehrte jener schon wieder nach Hause zurück. Aber die verschlagene Genobbia hatte kaum die Rückkehr ihres Mannes wahrgenommen, so öffnete sie einen großen Schrank, der in ihrer Kammer stand, und verbarg Nerino darin. Meister Raimondo trat ins Haus, stellte sich, als suche er etwas von seinen Sachen, und kehrte in der Stube alles zuunterst zuoberst, und als er nichts im Bette noch in den Kisten fand, nahm er wie ein Rasender einen Feuerbrand und hielt ihn, fest entschlossen, die ganze Kammer mit allem, was darin war, zu verbrennen, an die vier Pfähle des Gemachs. Schon hatten die Wände und Querbalken Feuer gefangen, als Genobbia sich zu ihrem Mann wandte und sprach: »Was soll das heißen, mein Gemahl? Seid Ihr etwa toll geworden? Wollt Ihr das Haus einäschern, so fahrt nur zu! Aber meiner Treu, diesen Schrank sollt Ihr mir nicht verbrennen, worin die Schriften liegen, die zu meinem Heiratsgut gehören.«
Hierauf ließ sie vier starke Kerle kommen und den Schrank aus dem Hause tragen nach dem Haus der Alten, ihrer Nachbarin, wo sie ihn heimlich, ohne daß es jemand merkte, öffnete und sich nach Hause zurückbegab.
Der sinnlose Meister Raimondo hatte nur sehen wollen, ob jemand hervorkomme, der ihm nicht angenehm wäre; aber er sah nichts als einen unerträglichen Rauch und das glühende Feuer, das das Haus verzehrte. Inzwischen liefen die Nachbarn herbei, um die Feuersbrunst zu ersticken, und arbeiteten so lange, bis sie endlich sie bemeisterten.
Des folgenden Tages, als Nerino nach Prato im Tale ging, stieß er auf Meister Raimondo, grüßte ihn und
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