Italienische Novellen, Band 2
sowie die Nichtigkeit alles Weltlichen und die menschliche Sündhaftigkeit auseinandersetzte, welche die Seele zu ertöten und zur Sklavin des Teufels zu machen pflegt.
Derweil also der jüngere der Brüder bei Calogero blieb, verließen auch die andern heimlicherweise ihre Wohnung, nahmen eine Segelstange und ein Licht und bestiegen eine Barke, in der sie nach der Hütte Calogeros steuerten. In deren Nähe angelangt, richteten sie die Segelstange empor, befestigten die angezündete Laterne daran und erwarteten, was erfolgen werde. Das Mädchen hatte kaum das brennende Licht aus der Ferne mit ihren Blicken erspäht, so vertraute sie sich, wie sie es gewohnt war, dem Meere an und schwamm der Hütte ihres Geliebten rüstig zu; ihre Brüder aber faßten bei dem Geräusche, das ihre die Fluten zerteilenden Arme machten, ihre Ruder in die Hand und entfernten sich höchst langsam und geräuschlos mit dem aufgerichteten Lichte von der Hütte, ohne von der Schwester gehört oder in der Finsternis der Nacht irgend gesehen zu werden. Der armen Margarita Auge erblickte nichts als das trügerische Licht, wonach sie ihre Richtung nahm. Die grausamen Brüder ruderten allmählich weit in das hohe Meer hinweg, zogen dann die Segelstange ein und löschten das Licht aus.
Sowie Margarita das Licht nicht mehr leuchten sah und nicht mehr wußte, wo sie war, entsetzte sie sich über die Maßen und gab sich für verloren, da sie sich außer dem Bereich aller menschlichen Hilfe sah. Das Meer verschlang die von der langen Anstrengung des Schwimmens Ermattete wie ein geborstenes Schiff.
Überzeugt, daß ein Ausweg der Rettung für ihre ihnen nachgefolgte Schwester nicht mehr vorhanden sei, verließen die Brüder sie mitten auf dem offenen Meere und kehrten in ihre Wohnung zurück. Der jüngere Bruder dankte beim Anbruche des Tages Calogero für seine gastliche Aufnahme und ging von dannen.
Bald verbreitete sich durch den ganzen Flecken die traurige Kunde, Margarita Spoletina werde vermißt. Die Brüder gaben sich das Ansehn, darüber schwer betrübt zu sein; doch in ihren Herzen waren sie erfreut.
Erst mit dem Ausgange des dritten Tages warf das Meer den Leichnam der Verunglückten an Calogeros Gestade aus. Der Jüngling fand ihn vor, erkannte ihn und hätte vor Schmerz über dieses Wiederfinden fast selbst seine Seele ausgehaucht. Ohne daß sich dessen jemand versah, zog er den toten Körper bei einem Arme aus den Wogen in die Höhe und trug ihn in sein Haus, wo er sich über das bleiche Antlitz der Geliebten warf und lange Zeit ihren Verlust beweinte, indem seine Tränen im Übermaße auf die weiße Brust hinabtroffen und seine von Schluchzen und Seufzern erstickte Stimme oft umsonst wiederholt ihren Namen ausrief.
Der nächste Gedanke des leidtragenden Teodoro war die würdige Beerdigung der Ertrunkenen und die Stiftung frommer Werke in Gebeten und Fasten zu der Wohlfahrt ihrer Seele. Er nahm deshalb den Spaten zur Hand, mit dem er gemeiniglich sein Gärtchen umzugraben pflegte, grub eine Grube in seinem kleinen Gotteshause, drückte dem Leichnam unter vielen Tränen Mund und Augen zu, setzte ihm einen Kranz von Rosen und Violen, den er selbst wand, auf das Haupt und senkte ihn, indem er ihn küßte und segnete, in das Grab hinab, das er mit Erde wieder zuwarf.
Auf solche Weise wurde die Ehre der Brüder und der Schwester gerettet, und nimmermehr verlautete, was aus Margarita Spoletina geworden sei.
Wer ist der Faulste?
(Goethe, Altschottisch)
Es ist noch nicht zwei Jahre her, da begegneten sich im Gebiete von Siena drei Burschen, die zwar jung von Jahren waren, jedoch erfahren und ausgezeichnet in jeder Art Faulenzerei, die man sagen oder sich vorstellen kann. Von diesen hieß der Eine, weil er mehr als die andern der Gefräßigkeit ergeben war, Gierling; den Zweiten, da er noch ziemlich klein und kindlich war, nannten alle Kinding; der Dritte hieß Sinnerling, weil er wenig Sinn und Verstand in seinem Schädel hatte.
Wie die drei sich eines Tages zufällig an einem Kreuzweg trafen und zusammen sich unterhielten, sagte Kinding:
»Wohin nehmt ihr euren Weg, Brüder?«
Gierling antwortete: »Ich gehe nach Rom.«
»Um was zu tun?« fragte Kinding.
»Um irgendeinen glücklichen Zufall zu finden«, erwiderte Gierling, »der mir erlaubt, daß ich leben kann, ohne mich anzustrengen«.
»Dasselbe suchen wir auch«, sagten die zwei Genossen.
»Wenn ihr es zufrieden seid«, meinte Sinnerling, »möchte ich gern mit euch
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