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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
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gehen«.
    Die beiden Gefährten nahmen ihn freundlich als Begleiter an, und sie gaben sich gegenseitig das Versprechen, sich nicht voneinander zu trennen, bis sie nach Rom gekommen wären.
    Wie alle drei nun ihren Weg fortsetzten und sich dabei über verschiedene Dinge unterhielten, senkte Gierling seine Augen auf die Erde, und er sah ein in Gold gefaßtes Juwel, das so sehr funkelte, daß es ihn blendete. Aber Kinding hatte es als erster seinen zwei Gefährten gezeigt, und Sinnerling hob es von der Erde auf und steckte es an den Finger. Darauf entstand unter ihnen ein lebhafter Streit, wem es gehören sollte. Gierling sagte, es komme ihm zu, da er es zuerst gesehen habe.
    »Im Gegenteil, es müßte mir gehören«, sagte Kinding, »weil ich es euch zuerst gezeigt habe«.
    »Im Gegenteil, von Rechts wegen gehört es mir«, sprach Sinnerling, »weil ich es von der Erde aufgehoben und mir an den Finger gesteckt habe«.
    Die Unglücksmenschen stritten sich also darüber, und weil keiner nachgeben wollte, wurden sie handgemein und versetzten sich auf Kopf und Gesicht solche Schläge, daß das Blut fast überall herabströmte.
    In diesem Augenblick kam Herr Gavardo Colonna des Weges geritten, ein vornehmer römischer Edelmann, der von einem seiner Güter kam und nach Rom zurückkehrte. Als Gavardo von ferne die drei Taugenichtse sah und ihren Lärm hörte, blieb er stehen und dachte einige Zeit nach, denn er fürchtete sehr, es seien Straßenräuber, und sie würden ihn töten; und mehrmals wollte er sein Pferd rückwärts lenken und umkehren. Aber dann faßte er doch Mut, fühlte sich sicher und setzte seinen Weg fort, näherte sich ihnen, grüßte sie und sprach: »Ihr Freunde, was streitet ihr euch hier untereinander?«
    »Herr Edelmann«, antwortete Gierling, »folgendes ist unser Streit: Wir sind aus unseren Herbergen fortgegangen, haben uns zufällig auf der Landstraße getroffen und uns gegenseitig begleitet, denn wir gehen nach Rom. Wie wir nun gingen und uns unterhielten, sah ich auf der Erde einen wunderschönen Edelstein, der in Gold gefaßt war, der nach Fug und Recht mein sein müßte, weil ich ihn zuerst gesehen habe.«
    »Und ich«, sagte Kinding, »habe ihn ihnen zuerst gezeigt, und weil ich ihn ihnen zuerst gezeigt habe, scheint es mir, daß er eher mir gehört als ihnen«.
    Aber Sinnerling schlief keineswegs und sagte: »Im Gegenteil, mein Herr, der Edelstein sollte mir zukommen und nicht ihnen, weil ich ihn, ohne daß man mir ein Zeichen gemacht hätte, von der Erde aufhob und mir an den Finger steckte. Da nun keiner dem anderen nachgeben will, sind wir in Lebensgefahr geraten.«
    Nachdem Herr Gavardo die Ursache ihres Streites gehört hatte, sagte er: »Wollt ihr, Gefährten, eure Zwistigkeiten mir überlassen, daß ich versuche, euch zu versöhnen?«
    Das bejahten alle drei einstimmig, und sie versprachen, sich der Entscheidung des Edelmanns zu fügen. Wie dieser ihre gute Absicht sah, sprach er: »Nachdem ihr euch gemeinsam in meine Hände gegeben habt und wollt, daß ich allein der Schiedsrichter eures Streites sein soll, verlange ich von euch nur zwei Dinge: erstens, daß ihr mir den Edelstein in die Hände gebt; zweitens, daß jeder von euch es sich angelegen sein lassen soll, irgendein Faulenzerstück zu vollbringen; und wer innerhalb von vierzehn Tagen das nutzloseste und minderwertigste Stückchen sich geleistet hat, der wird der wahre Besitzer des Edelsteins sein.«
    Die Gefährten waren es zufrieden und vertrauten ihm das Juwel an; dann zogen sie nach Rom. Wie sie in Rom angekommen waren, trennten sie sich: der eine ging hierhin, der andere dahin, wobei jeder von ihnen danach trachtete, nach seinem Vermögen irgendein herrliches Faulenzerstück zu vollbringen, das jedes Lobes und ewigen Angedenkens würdig wäre.
    Gierling fand einen Herrn und wurde mit ihm einig. Dieser kaufte eines Tages auf dem Marktplatz die ersten Feigen, die gegen Ende des Monats Juni in den Handel kamen, und er gab sie Gierling, damit er sie bewahrte, bis er nach Hause ginge. Gierling, der ein Erzfaulpelz und gleichzeitig von Natur sehr gefräßig war, nahm eine der Feigen und aß sie heimlich nach und nach, während er hinter seinem Herrn herging. Weil die Feige ihm ziemlich gut schmeckte, setzte der Schlingel seinen Brauch fort und aß heimlich auch von den anderen Feigen. Wie der Taugenichts in seiner Gefräßigkeit fortfuhr, steckte er schließlich eine Feige in den Mund, die übermäßig groß war, und aus Furcht,

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