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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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der Herr möchte es bemerken, schob er sie nach Art der Affen in einen Winkel des Mundes und hielt diesen geschlossen. Zufällig drehte sich der Herr um: da schien es ihm, Gierlings linke Backe sei stark geschwollen, und wie er ihm besser ins Gesicht schaute, sah er, daß es wirklich sehr angeschwollen war. Er fragte ihn, was er denn habe, da seine Backe so sehr geschwollen sei; jener aber gab wie ein Stummer ihm keine Antwort.
    Wie das der Herr sah, wunderte er sich sehr und sagte: »Gierling, mach den Mund auf, damit ich sehe, was dir fehlt, und dir besser helfen kann.«
    Aber der arme Kerl wollte weder den Mund aufmachen noch reden. Und je mehr der Herr sich bemühte, ihn zu veranlassen, den Mund aufzumachen, um so mehr biß der Taugenichts die Zähne zusammen und verschloß seinen Mund.
    Nachdem der Herr verschiedene Versuche gemacht hatte, ihn zum Öffnen des Mundes zu bewegen, und sah, daß ihm kein Versuch glücken wollte, hatte er Angst, es könnte ihm ein Unglück zustoßen, und führte ihn in eine nahe Barbierstube, zeigte ihn dem Wundarzt und sprach folgendermaßen: »Meister, diesem meinem Diener ist ein grausames Übel zugestoßen: wie Ihr seht, ist ihm seine Backe so angeschwollen, daß er weder spricht noch den Mund aufmachen kann. Ich habe Angst, er wird noch ersticken!«
    Der Wundarzt betastete die Backe ganz behutsam und sagte zu Gierling: »Was fühlst du, Bruder?«
    Aber der gab ihm keine Antwort.
    »Mach den Mund auf!«, fuhr der Wundarzt fort – aber er rührte sich nicht. Da der Wundarzt sah, daß er mit Worten nichts ausrichten konnte, griff er zu einigen seiner Werkzeuge und versuchte, ob er ihm damit den Mund öffnen könnte: aber der Taugenichts wollte ihn auf keine Weise und durch kein Mittel öffnen. Dem Wundarzt schien es, es handele sich um ein Geschwür, das nach und nach immer mehr gewachsen sei, und jetzt sei es reif und an der Zeit, aufgemacht zu werden. Daher führte er einen Schnitt, damit das Geschwür besser vom Eiter befreit werden könne. Der Taugenichts Gierling, der alles gehört hatte, sich aber nicht rührte, sagte auch jetzt kein einziges Wort, sondern blieb unerschütterlich, wie ein festgebauter Turm. Der Wundarzt begann die Backe zu drücken, um zu sehen, was aus dem Geschwür herauskäme; aber anstatt Fäulnis und Eiter kam gesundes Blut heraus zusammen mit der Feige. Als der Herr die Feige erblickte und Gierlings Nichtsnutzigkeit erkannte, ließ er ihn erst ausheilen; dann jagte er ihn fort.
    Kinding, der in Faulenzerei es mit Gierling aufnehmen konnte, hatte schon einige wenige Pfennige, die er noch besaß, ausgegeben, ohne daß er wegen seiner Untauglichkeit jemanden gefunden hätte, auf den er sich hätte stützen können; so ging er bettelnd von Haus zu Haus und schlief entweder unter einem Säulengang oder in einem Hausflur oder manchmal auch im Walde. Eines Nachts nun kam der Taugenichts an einem ganz verfallenen Orte an, und wie er hineingegangen war, fand er einen Misthaufen mit einem bißchen Stroh, auf das er so gut wie möglich sich hinlegte, indem er die Beine weit auseinander spreizte, und da er todmüde war, schlief er bald ein. Es dauerte nicht lange, so erhob sich ein mächtiger Windsturm mit solch fürchterlichem Regen und Unwetter, daß es schien, als wollte die Welt untergehen; und es hörte in dieser ganzen Nacht nicht auf zu regnen und zu blitzen. Weil das Dach seines Nachtquartiers in schlechtem Zustande war, fiel ein Regentropfen von oben durch ein Loch und traf ihm ein Auge, so daß er aufwachte und nicht ruhen konnte. Wegen der großen Faulheit jedoch, die Herr über seinen Körper war, wollte der Unglücksmensch sich nicht von dieser Stelle entfernen und der ihm drohenden Gefahr aus dem Wege gehen; vielmehr blieb er fest bei seinem verkehrten halsstarrigen Willen und ließ den Tropfen unglücklicherweise immer wieder sein Auge treffen – nicht anders, wie wenn es ein harter kleiner Stein gewesen wäre. Der Tropfen fiel weiter vom Dach herunter, traf das Auge und war von solcher Kälte, daß Kinding bei Tagesanbruch auf dem Auge erblindet war.
    Als Kinding am Morgen nicht sehr früh aufstand, um für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, fand er, daß ihm das Augenlicht fehlte; aber da er glaubte, er träume, legte er die Hand auf das gute Auge und hielt es zu: und jetzt erkannte er, daß er auf dem anderen der Sehkraft beraubt war. Hierüber freute er sich über die Maßen; denn nichts Lieberes oder Angenehmeres hätte ihm geschehen können,

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