Italienische Novellen, Band 2
unsere Leben zu gefährden: sobald ich das brennende Licht gesehen habe, komme ich schwimmend zu dir hinüber, und kein Mensch erfährt etwas von unserm Tun.«
Auch seine fernem Einwürfe: »Du läufst aber Gefahr zu ertrinken, da du als ein so junges, zartes Mädchen unmöglich Kraft und Atem genug haben wirst, dich die weite Strecke entlang über dem Wasser zu halten,« wußte sie mit den Worten zu beschwichtigen: »Fürchte nicht, daß ich aus Mangel an Atem sinken könnte: ich schwimme mit den Fischen um die Wette.«
Calogero gab am Ende dem festen Willen der Jungfrau nach. Sobald die finstere Nacht angebrochen war, zündete er ihrer Weisung gemäß ein Licht an seinem Fenster an, legte ein schneeweißes Linnentuch zurecht und erwartete mit heißem Verlangen die Liebreizende.
Kaum hatte Margarita zu ihrer innigsten Freude das leuchtende Flämmchen entdeckt, als sie ihre Kleider von sich warf und sich barfuß und im bloßen Hemd allein an das Gestade des Meeres schlich, wo sie auch die letzte Hülle von ihrem Körper zog und um ihren Kopf wickelte. Darauf stürzte sie sich nackt in das weite Meer und verstand ihre Arme und Füße so wohl zum Schwimmen zu rühren, daß sie in weniger als einer Viertelstunde bei der Hütte des sie erwartenden Calogero landete. Teodoro nahm das Mädchen, sowie er sie vor sich erblickte, bei der Hand, führte sie in seine niedrige Behausung ein, wo er mit dem weichen Linnen eigenhändig ihre feuchten Glieder trocknete, und genoß mit ihr auf seiner Lagerstätte zwei volle Stunden lang der seligen Ruhe zärtlicher Gespräche und enger Umarmungen.
Die gar wohl befriedigte Jungfrau schied zwar endlich dies erstemal von dem geliebten Freunde, mochte aber auch in der Folge der Zeit dem süßen Drange der Gewohnheit so wenig widerstehen, daß sie jedesmal, wenn sie das verabredete Zeichen des brennenden Lichtes erschaute, zu Teodoro durch das Meer hinüberschwamm.
Das ewig blind wechselnde Glück harrte freilich nicht lange Zeit bei den Liebenden aus. Denn eines Nachts, als die Luft von einem lästigen Nebel ringsumher eingehüllt war, warf sich die Jungfrau, die das Licht hatte schimmern sehen, in das Meer und ward von einigen unfern von ihr auf den Fang ausgegangenen Fischern wahrgenommen, wie sie sich durch die Wellen Bahn brach. In der anfänglichen Meinung, der schwimmende Körper sei ein Fisch, setzten sich die fremden Männer alsbald in Bewegung, um näher hinzuzusehen, und erkannten ein in des Calogero Hütte verschwindendes Weib. Höchlich darob verwundert, ruderten sie nunmehr dicht zu dem ärmlichen Häuschen heran und blieben in dessen Nähe so lange verborgen, bis die Jungfrau es wieder verließ und nach der mittlern Insel zurückschwamm.
Der Schleier der Nacht hüllte die Unglückliche nicht so tief in seine Falten ein, daß er sie hätte bewahren können, von ihren Verfolgern erkannt zu werden. Gewannen die neugierigen Fischersleute also die Gewißheit, in der kühnen Schwimmerin Margarita Spoletina vor sich zu sehen, so begleiteten sie dieselbe öftere Male in der Stille der Nacht auf ihren gefahrvollen Wegen und nahmen sich jedesmal untereinander vor, nachdem sie zum Verständnis des anzeigenden Lichtschimmers gelangt waren, das Ereignis geheimzuhalten, Gedachten sie aber andrerseits wiederholt der Beschimpfung, die eine ehrenwerte Familie bedrohte, und der Todesgefahren, in welche das junge Mädchen sich begab, so wurden sie am Ende andern Sinnes und entschlossen sich, Margaritas Brüdern das bedenkliche Geheimnis anzuvertrauen.
Die Brüder ergriff kein geringer Zorn, als die Fischer zu ihnen ins Haus kamen und ihnen die unerwartete Neuigkeit hinterbrachten. Sie wollten ihr keinen Glauben beimessen, bevor sie sich nicht durch den eigenen Augenschein davon überzeugt hätten. Sobald sie aber erst keine Zweifel mehr gegen die Wahrheit der Anklage ihrer Schwester hegen konnten, beschlossen sie deren Tod, den sie nach reiflicher Überlegung auf die folgende Weise bewerkstelligten.
In der Dämmerung des Abends bestieg der jüngere Bruder einen Kahn, fuhr allein in aller Stille zu Calogero und ersuchte ihn, ihn für diese Nacht bei sich zu beherbergen,
weil ihm ein Unfall zugestoßen sei, um dessentwillen er Gefahr laufe, von den Gerichten verhaftet und zum Tode verurteilt zu werden. Calogero, der seinen Gast als Margaritas Bruder kannte, nahm ihn wohlwollend und mit Freuden auf, indem er die ganze Nacht hindurch über verschiedene Dinge mit ihm sprach und ihm das Elend
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