Italienische Novellen, Band 2
habe. Bei dieser zweiten Liebe aber hielt er sich so geheim, daß niemand je etwas davon merkte.
Schon war fast ein Jahr verstrichen seit Herrn Ventimiglias Rückkehr von Sizilien nach Neapel, als Herr Giovanni Tomacello, der Gemahl Macedonias, von einigen seiner Verwandten in einen schlimmen Rechtshandel verwickelt wurde, infolgedessen ihn einige Schriftstücke, die seine Gegner auffanden, in große Gefahr brachten, mehr als vierzigtausend Dukaten von seinem väterlichen Erbe zu verlieren. In welche Not er dadurch geriet, mag sich ein jeder vorstellen, der sich einmal selbst in einem solchen Verhältnisse befand. Die Sache kam vor den hohen Rat des Königs, und da es Tomacello vorkam, als ständen seine Gegner mehr in Gunst als er und er darum seinen Rechtshandel zu verlieren fürchtete, wußte er nicht, was er anfangen solle. Die vornehmsten Rechtsgelehrten des Reichs hatten allerdings ihr Gutachten dahin abgegeben, daß das Recht, wenn auch unter verwickelten Umständen, auf seiner Seite sei; und so riet ihm ein guter Freund, seine Zuflucht zu einem Günstlinge des Hofes zu nehmen, um mit dessen Hilfe zu erlangen, daß der Prozeß ohne Zeitverlust entschieden würde, weil seine Verwandten eben durch den Einfluß, den sie besaßen, zu bewirken strebten, daß die streitigen Güter gerichtlich verwaltet und der Handel in die Länge gezogen würde; was, wenn es zur Ausführung kam, Tomacello völlig zugrunde richten mußte. Er ging daher in Gedanken alle Günstlinge des Hofes durch und überlegte, wessen Hilfe er ansprechen könne, bis man ihm riet, den Markgrafen von Cotrone für sich zu gewinnen, der sowohl der dienstfertigste und gefälligste von allen Hofleuten, als auch der erste Liebling des Herzogs von Kalabrien sei und nächstdem von dem Könige Alfons sehr wert gehalten werde. Tomacello, der niemals etwas von der Liebe des Markgrafen zu seiner Gattin gehört hatte und auch sonst seine Freigebigkeit, Menschenfreundlichkeit, Höflichkeit und Leutseligkeit sowie andere seltene Eigenschaften, die er besaß, hatte rühmen hören, beschloß, obgleich er ihn nicht näher kannte, ihn zu besuchen und ihn zu bewegen, daß er ihn in diesem Rechtsstreite unterstütze. Nachdem er diesen Entschluß einmal gefaßt hatte, verschob er seine Ausführung nicht, sondern bestieg am folgenden Morgen gleich nach dem Frühstück ein Maultier und begab sich in das Haus des Markgrafen, der bei Seggio Capuano wohnte. Er stieg gerade zu der Zeit bei ihm ab, als auch Ventimiglia seine Mahlzeit beendigt hatte und eben noch mit einigen Edelleuten, seinen Freunden, die bei ihm gespeist hatten, am Tische saß und sich unterhielt. In den Saal eingeführt, bezeugte Tomacello dem Markgrafen seine schuldige Ehrerbietung, und sobald dieser freundliche und äußerst liebreiche Mann den Herrn Giovanni Tomacello eintreten sah, stand er auf, ging auf ihn zu, empfing ihn mit anmutiger Höflichkeit und fragte ihn, was er mache.
»Ich komme,« antwortete Tomacello, »um mit dir unter vier Augen über Geschäfte zu sprechen.«
Als der Markgraf dies hörte, wunderte er sich sehr, nahm ihn bei der Hand und führte ihn in einen sehr schönen Garten, wo sie auf und ab gingen und sich der Schönheit des Baumgutes freuten, das voll war von Pomeranzen, Zitronen, Zedern und andern fruchtbaren Bäumen nebst tausendfacher Abwechselung von holden und duftigen Blumen; darauf setzten sie sich in eine kleine, vor der Sonne geschützte Laube.
Als sie sich dort niedergelassen hatten, begann Tomacello also zu sprechen: »Wiewohl ich früher, erlauchter Herr Markgraf, keine Freundschaft noch Bekanntschaft mit dir gehabt habe, noch mir Gelegenheit geworden ist, dir irgendeinen Dienst zu tun, um dessenwillen ich wagen dürfte, dich um deinen Schutz und deine Verwendung in einer mir sehr wichtigen Angelegenheit anzugehen, so hat mir doch der Name, den du dir in diesem Königreiche allgemein als der höflichste Mann, der nie einem Bittenden ein Gesuch abzuschlagen weiß, erworben hast, den Mut gegeben, daß ich, vielleicht, ohne von dir gekannt zu sein, zu dir komme und dich um die Gunst anflehe, ein paar gute Worte für mich einzulegen. Ich bin Giovanni Tomacello, ein Edelmann dieser Stadt, mit dem neulich einige meiner Verwandten oder vielmehr tödliche Feinde einen Prozeß angefangen haben, infolgedessen sie mir, wenn sie durchdrängen, mehr als die Hälfte meines väterlichen Erbes entreißen würden. Ich habe meine Papiere vorgebracht, und meine Rechtsfreunde sagen
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