Italienische Novellen, Band 2
mit dem Markgrafen hatten sprechen sehen, kannten den Dienst, den er dem Hause erwiesen, und dachten weiter an nichts Böses, da sie kein Wort von allem, was sie sprachen, verstanden hatten. Sie vermuteten nur, sie habe vielleicht durch ihn irgendeine Gnade vom Hofe nachgesucht. Da sie sie nun zu Bette liegen sahen, wollten sie ihr Ärzte kommen lassen; sie gab es aber nicht zu und wollte auch nicht, daß man nach Somma schicke, um ihren Mann zu benachrichtigen. Sie dachte nur an Mittel, den Markgrafen zu sprechen, und da ihr keines einfiel, was ihr passend schien, beschloß sie, jenen früheren Boten wieder an ihn zu senden, damit er mit ihm spreche. Sie ließ ihn daher rufen, erzählte ihm alles, was ihr mit dem Markgrafen begegnet war, und bat ihn inständig, zu ihm zu gehen und ihn in ihrem Namen zu ersuchen, so dringend er könne, er solle nicht so hart sein und nicht zugeben, daß sie um seinetwillen umkomme. Sie unterrichtete ihn genau über alles, was sie wünschte, daß aus seinem Munde komme, und wartete nun auf die Antwort. Gut unterwiesen über alles, was er zu sagen hatte, und beladen mit Versprechungen, wenn er ihr gute Nachrichten zurückbringe, ging der Bote hin, den Markgrafen aufzusuchen. Er fand ihn mit einigen Edelleuten im Seggio di Capoana auf und ab gehen, und da er sah, daß sich das Gespräch nicht um wichtige Dinge drehte, trat er auf ihn zu, bezeugte ihm die schuldige Ehrfurcht und sagte: »Wenn es Euch nicht beschwerlich ist, möchte ich gern einige Worte im stillen mit Euch reden.«
Mit Genehmigung der Gesellschaft zog sich der Markgraf in einen Winkel des Seggio zurück, schaute nach der Brustwehr der Mauer gegen die Straße hin und wartete so, was ihm der Bote sagen wollte. Der Bote eröffnete nun mit vielen Worten dem Markgrafen den Zustand, in dem sich Frau Lionora Macedonia befand, und bat ihn inständig, mit ihr Erbarmen zu haben und nicht zuzugeben, daß eine so schöne Frau in der Blüte ihrer Jahre hinsterbe. Darauf sagte er noch vielerlei, um ihn zum Mitleid zu rühren. Als der Markgraf diese neue Botschaft gehört hatte, antwortete er dem Abgesandten, es tue ihm zwar sehr leid, daß sich die Frau übel befinde, und alles, was er mit seiner Ehre vereinigen könne, sei er stets sehr bereit auszuführen. Er solle aber die Frau auffordern, diesfalls ihre Begierde zu zügeln und nicht mehr an dies zu denken; denn er sei entschlossen, ihre Liebe auf diese Weise gar nicht zu begehren, und er solle ihm nicht wieder mit ähnlichen Anträgen kommen. Der Bote entfernte sich sehr übel befriedigt, kehrte zu der Frau zurück und berichtete ihr den letzten Entschluß des Herrn Markgrafen.
Bei dieser Meldung ward die Frau mehr tot als lebendig. Sie vermochte nicht sich loszureißen von dem Verlangen, den Markgrafen zu lieben und von ihm geliebt zu werden; sie konnte Tag und Nacht an sonst nichts denken und beschloß, nicht mehr am Leben zu bleiben; denn es schien ihr leichter, den schrecklichen Schritt des Todes zu tun, als die Pein zu erdulden, die sie niederschlug. Sie verlor daher Schlaf und Eßlust und wurde mit jeder Stunde schwächer. Der Gatte war zurückgekehrt. Er wußte nicht, was das für eine Krankheit war, an der seine Frau litt, und ließ die vortrefflichsten Ärzte von Neapel kommen, um sie zu besuchen. Aber ihre Arzneien halfen nicht gegen das Übel der Frau. Ihr Herzensleiden war schon so gewachsen, daß durchaus die Kräfte des Leibes verloren und verirrt waren und kein Heilmittel anschlagen konnte. Da sie sich nun nahe am Tode sah, ließ sie einen ehrwürdigen Priester zu sich kommen und beichtete ihm alle ihre Sünden. Als der geistliche Vater den seltsamen Fall vernahm, ermahnte er sie, von diesem Wahne abzulassen und zu bereuen, daß sie zur Selbstmörderin geworden sei. Aber es hielt schwer, ihr den Wahnsinn aus dem Kopfe zu treiben und sie zur Buße zu bewegen. Doch schenkte ihr Gott die Gnade mittels der frommen und heiligen Ermahnungen des Bruders, daß sie erkannte, in welcher Gefahr sie schwebte, nicht allein das Leben zu verlieren, sondern auch die Seele in den Rachen Luzifers zu senden. Sie kam daher in solche Zerknirschung, daß sie mit unendlichen und bittern Tränen eine nochmalige Beichte ablegte, Gott gläubig um Verzeihung bat und verlangte, daß ihr Gatte ihre ganze Angelegenheit erfahre. Sie ließ ihn daher rufen und erzählte in Gegenwart des Mönchs die ganze Geschichte der Liebe des Markgrafen von Cotrone zu ihr und ihrer Liebe zu ihm, seine
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