Italienische Novellen, Band 2
Markgrafen den ganzen Tag, und da sie ihn nicht kommen sah, war sie sehr betrübt. Sie fragte den Boten aus und ließ sich von ihm wohl zehnmal die Worte wiederholen, die der Markgraf zu ihm gesagt hatte; und da sie dann der Meinung war, er sei durch wichtige Geschäfte abgehalten, zu kommen, oder habe vielleicht Bedenken getragen, in ihr Haus zu kommen, schickte sie den Boten noch einmal an ihn ab und ließ ihn ersuchen, an dem und dem Tage, zu der und der Stunde ihr die Gunst zu erweisen, in einer gewissen, wenig besuchten Kirche sich einzufinden. Mittlerweile überkam sie zwar auch die Besorgnis, ob nicht die dereinst glühende Liebe des Ritters sich in Haß verwandelt haben möge, und sie warf sich selbst die Härte vor, die sie gegen ihn geübt hatte. Indessen schien es ihr wieder unmöglich, daß so viele Liebe ganz erloschen sein könne; und je länger sie abgehalten wurde, dem Ritter ihre Leidenschaft zu entdecken, desto mehr verzehrte sie das überhandnehmende Feuer derselben.
Auf ihre zweite Botschaft hin entschloß sich der Ritter hinzugehen, um zu sehen, was sie wünsche, da er sich nicht denken konnte, was diese rasche Umwandlung bewirkt habe. Als die Zeit kam, wo sie sich in der Kirche einfinden sollten, und die Frau die Gewißheit erhalten hatte, daß der Ritter um die festgesetzte Zeit kommen werde, kleidete sie sich sehr reich, putzte und schmückte sich so reizend als möglich, erhöhte meisterlich ihre angeborene Schönheit durch die Kunst und verfügte sich nach dem abgelegenen Tempel, wo kurz zuvor mit einem kleinen Edelknaben, der ihm außen das Pferd hielt, der Markgraf angekommen war. Als sie mit drei Frauen und zwei Dienern eintrat, sah sie den Markgrafen allein umhergehen; sie trat ihm höflich entgegen, grüßte ihn und er sie. Nachdem sie auf diese Weise die gebührenden Höflichkeitsbezeugungen ausgetauscht, sagte der Ritter: »Gnädige Frau, verzeiht mir gefälligst, daß ich neulich nicht in Euer Haus gekommen bin; denn die Geschäfte, die ich eben vorhatte, haben es nicht erlaubt. Nun aber komme ich, zu hören, was Euch gefällig ist, mir zu sagen.«
Nach einigen kläglichen Seufzern, die aus der Tiefe ihres Herzens aufstiegen, heftete sie ihre schönen Augen kläglich auf das Gesicht des Herrn Markgrafen und begann sodann mit gedämpfter, bebender Stimme also zu reden: »Wenn ich, mein unvergleichlicher Herr, mich so gegen dich benommen hätte, wie deine Tugend es stets verdient hat, so könnte ich kecklicher vor deinem erhabenen und großartigen Anblick meine Bitten vorbringen. Wenn ich aber denke, daß meine Undankbarkeit und Härte gegen dich mehr als unendlich gewesen ist, und daß ich nie mich dazu hergegeben habe, dir mit einem einzigen Blicke gefällig zu sein, so wagt die kalte Zunge nicht, dir das zu sagen, was dir bittend vorzutragen ich hierher gekommen bin. Freilich, wenn ich nur berücksichtigen wollte, was ich verdiene, –wie hätte ich es je wagen sollen, dir wieder vor die Augen zu kommen? Aber deine unvergleichliche Menschenfreundlichkeit und deine höfliche Sitte, die andere so sehr rühmen, machen mich nicht allein beherzt genug, dir meine Wünsche zu vertrauen und frei meine Pläne zu eröffnen, sondern lassen mich auch hoffen, daß ich bei dir Erbarmen finden werde, geschweige Verzeihung. Und was wäre anders zu erwarten von einem so edeln und hochherzigen Ritter, dessen Beruf es ist, allen zu helfen? Ich, mein Herr, war ich bisher blind und gleichgültig, so habe ich jetzt die Augen geöffnet und meine törichte Hartnäckigkeit eingesehen; ich bin nicht nur Bewunderin deiner unvergleichlichen Tugend und seltenen Gaben, sondern deine Dienerin; darum kann ich ohne deine Hilfe, deine Gunst und deine Liebe nicht am Leben bleiben. Und glaube nicht, mein Gebieter, daß ich alle diese Ausgaben, die du unnötigerweise um meinetwillen gemacht, die Feste, die Zeit, die du verloren, und so vieles andere, was du um meinetwillen vergebens getan hast, vergessen und andererseits meine Grausamkeit, meinen Undank und meine Mißachtung gegen dich nur so von mir abgeschüttelt habe; vielmehr schwebt das alles meinen geistigen Augen noch sehr lebhaft vor und ist mir ein beständig nagender Wurm am Herzen. Ja, es macht mir so viel Pein, daß ich weit lieber sterben möchte. Darum bekenne ich meine schwere Verirrung, flehe dich demütig um Vergebung an und bitte dich, mich zu deiner demütigen Magd annehmen zu wollen. Du sollst mich in Zukunft gegen all dein Begehren durchaus
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