Italienische Novellen, Band 2
Dienste nach und nach in großen Ruf kam, daher er von ihm fast bei allen Unterhandlungen gebraucht wurde. Der Kardinal, der damals bei dem König von England im besten Ansehen stand, regierte beinahe die ganze Insel und hielt einen so großen und glänzenden Hof, daß er dem mächtigsten Fürsten genügt hätte. Daher geschah es, daß der Kardinal Cromwell oft in Angelegenheiten von der höchsten Wichtigkeit zu dem König schickte, wobei Cromwell sich stets seiner Aufträge so geschickt entledigte und sich das Vertrauen des Königs in so hohem Grade zu erwerben wußte, daß er ihm bald sehr freundlich begegnete und ihn für geschickt hielt, die wichtigsten Geschäfte zu leiten.
Der König hatte dazumal mit Zustimmung des Kardinals seine Gemahlin Katharina, Tochter König Ferdinands des Katholischen von Spanien, Mutterschwester Karls von Österreich, zeitigen römischen Kaisers, verstoßen, in der Hoffnung, daß der Papst den Scheidebrief bestätigen und auf die Gründe hin, wodurch der König ihre Verstoßung zu rechtfertigen meinte, die Ehe auflösen werde. Aber der Papst fand die Verstoßung nicht gerechtfertigt und verweigerte die Bestätigung; weshalb der Kardinal von York bei dem König in Ungnade fiel und den Hof meiden mußte. Als er vom Hof weg war, verminderte der Kardinal seine Dienerschaft, behielt nur noch eine kleine Anzahl Leute bei sich und entließ ihrer täglich mehr aus seinen Diensten. Der König erinnerte sich Cromwells, der ihn so sehr befriedigt hatte, ließ ihn zu sich bescheiden und sprach zu ihm: »Cromwell, du siehst, der Kardinal hat sich zurückgezogen und bedarf so vieler Leute nicht mehr, als er halten mußte, da er noch am Ruder meines Staates saß. Du bist also jetzt müßig, da du nicht mehr für ihn zu unterhandeln hast. Willst du aber mir dienen?«
»Mein Gebieter«, antwortete er, »ich habe dem Kardinal immer treulich gedient, und das gleiche würde ich Euch tun, wenn Ihr Euch meiner zu bedienen geruhtet.« »Wohlan denn«, sprach der König, »so tritt in meinen Dienst: denn ich habe stets viel Gutes von dir erwartet.« Hierauf ernannte ihn der König zu seinem ersten Sekretär und bediente sich seiner bei den wichtigsten vorkommenden Geschäften, die er so gut ausführte, daß der König ihn zum Großsiegelbewahrer erhob und wenige in dem Königreiche waren, die mehr bei dem König vermocht hätten als Cromwell; denn nach der Meinung des Königs war er mehr als alle wert, die an dem Hofe waren. Aber dem blinden Glücke genügte es nicht, den Cromwell aus dem niedrigsten Stande zu solcher Größe erhoben zu haben, sondern es wollte ihn noch mehr erhöhen, und der König ernannte ihn zum Oberkämmerer des Reichs, was die höchste Würde in England ist, der keine andere nach der königlichen sich vergleichen darf. Von nun an übergab ihm der König die Regierung des Landes, so daß Cromwell eine wirklich unglaubliche Macht erreichte.
Als er diese Höhe erstiegen hatte, zeigte sich Cromwell als Todfeind des ganzen Adels der Insel, und wo er nur einem Edelmanne schaden konnte, versäumte er es nicht, und wenn dem Könige einer verhaßt war, so schürte er nur die Flamme. Zu jener Zeit entschloß sich der König, während seine Frau Katharina von Spanien noch lebte, um jeden Preis eine andere zu nehmen, und da er den päpstlichen Dispens durchaus nicht erhalten konnte, dispensierte er sich selber. Daraus entstanden unendliche Unordnungen in jenem Königreich, das sich völlig von der heiligen katholischen Mutterkirche in Rom losriß. Unzählige Brüder und Mönche, die sein Verlangen nicht bewilligen wollten, wurden enthauptet und viele Edelleute und Barone ums Leben gebracht. Auch viele große Prälaten von dem heiligsten Wandel wurden hingerichtet, und es verging nur selten ein Tag, daß nicht dieser oder jener um einen Kopf gekürzt ward. Bald war fast der ganze Adel Englands erloschen; denn die Vornehmen traf die Verfolgung viel grausamer als die niedern Stände. Die allgemeine Meinung bezeichnete den Cromwell als den Urheber aller dieser Greuel, weil er den Adel tödlich haßte und ihn zu vernichten strebte, da er sich selbst eines niedern Ursprungs bewußt war.
Es war aber meine Absicht nicht, euch die Grausamkeiten und das Blutbad zu schildern, die sich ohne gerechte Veranlassung in England begaben, sondern ich begann diese Novelle, um die Folgen zu berichten, die die edle Handlung des Frescobaldo gegen Cromwell für jenen haben sollte. In jener Zeit also, da Cromwell als
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