Italienische Novellen, Band 2
Standhaftigkeit und die besonnenen Antworten, die sie von ihm erhalten, Punkt für Punkt, und bat ihn mit schwacher und heiserer Stimme demütig um Verzeihung. Sodann empfing sie mit großer Andacht die heiligen Sakramente des Abendmahls und der letzten Ölung, lebte noch zwei Tage und starb dann reuevoll.
Ihr Gatte, der sie zärtlich liebte und zwei Söhnchen, eines von zwei und eines von drei Jahren, von ihr hatte, entzog ihr darum, weil sie ein solches Gelüsten gehabt, seine Liebe nicht, sondern beklagte sie sehr und zeigte über ihren Tod großen Schmerz. Ihre Beisetzung war nach neapolitanischer Weise prachtvoll und schön. Die Nachricht von der Ursache dieses Todes ward bekannt, und der Markgraf war darüber sehr betrübt und stand im Zweifel, ob er zu Tomacello senden und ihm sein Beileid bezeugen solle oder nicht. Zuletzt ging er selbst hin. Er ward gütig aufgenommen, und Tomacello erzählte ihm alles. Auch hielt er ihn immer für einen großen und guten Freund und den wackersten Ritter, den es geben konnte. Die Frau wurde in der Kirche des heiligen Dominikus begraben und an ihrem Grabmal von einem Unbekannten folgendes Sonett befestigt:
Der du vorbeigehst an dem schönen Grabe,
Halt ein den Schritt und lies die Worte hier,
Wo friedlich ruht der Schönheit höchste Zier,
Die Pein dem Jüngling wie dem Greis am Stabe!
Lang schmachtete ein Ritter nach der Labe
Von ihrer Liebe; doch er sah bei ihr
Nie Hoffnung, und die glühende Begier
Fand für den Dienst nur Schmerz als Gegengabe.
Verschmäht wandt' er den Sinn dann endlich bitter
Von ihr; doch sie, die kaum noch spröd' und hart,
Erweichte sich für ihn zur selben Stunde.
Zu spät! Unbeugsam war ihr nun der Ritter,
Daß Tod ihr süß, das Leben lästig ward,
So heftig war der Schmerz von jener Wunde.
Thomas Cromwell
(Pseudo-Shakespeare, Thomas Lord Cromwell)
In der edeln und alten Familie der Frescobaldi zu Florenz war vor nicht vielen Jahren ein sehr rechtlicher und achtbarer Kaufmann namens Francesco, der, nach der Sitte seiner Vaterstadt, nach verschiedenen Gegenden hin handelte und, da er sehr reich war, bedeutende Geschäfte machte. Gewöhnlich hatte er seine Niederlage im Westen, in England, und hielt sich in London auf, wo er ein sehr glänzendes Leben führte und viel Edelmut blicken ließ; denn er war nicht so genau, wie viele Kaufleute sind, die alles bei Heller und Pfennig berechnen, wie ich von dem Genueser Ansaldo Grimaldo sagen höre, daß er auf den kleinsten Papierschnitzel und jede Spanne Bindfaden zum Schnüren der Briefbündel acht hat.
Eines Tages, als Francesco Frescobaldo in Florenz war, erschien ein armer Jüngling vor ihm und bat in Gottes Namen ihn um ein Almosen. Als Frescobaldo ihn so übel gekleidet sah, da doch sein Gesicht viel Adel verriet, empfand er um so mehr Mitleid mit ihm, als er sah, daß er ein Engländer sei. Er fragte ihn, aus welchem Lande in der Fremde er denn komme; worauf jener zur Antwort gab, er sei ein Engländer; und als ihn Frescobaldo, dem England sehr genau bekannt war, nach einigen Eigentümlichkeiten des Landes fragte, gab der Jüngling sehr befriedigende Antworten.
»Ich heiße Thomas Cromwell«, fuhr er fort, »und bin der Sohn eines armen Tuchscherers. Ich entfloh meinem Vater und kam mit dem Lager der Franzosen, das am Garigliano aufgehoben ward, nach Italien. Ich diente mit noch einem Fußgänger als Lanzenträger.«
Frescobaldo führte ihn sehr freundschaftlich in sein Haus und hielt ihn hier aus Liebe zu der englischen Nation, bei der er viel Gutes genossen hatte, einige Tage bei sich, behandelte ihn sehr gütig, kleidete ihn neu, und als er nach seinem Vaterlande abreisen wollte, gab er ihm noch sechzehn florentinische Golddukaten in Gold und ein gutes Pferd. Da der Jüngling sich so anständig ausgestattet sah, sagte er dem Frescobaldo allen möglichen Dank und kehrte nach dem Insellande zurück.
Er hatte, wie es bei fast allen Überbergischen die löbliche Sitte ist, lesen und schreiben gelernt und schrieb Englisch sehr schön und richtig. Überdies war er ein Jüngling von vielem Geiste, großer Klugheit und Entschlossenheit und wußte sich vortrefflich in den Willen anderer zu finden und, wenn es seinem Zwecke diente, seine Leidenschaften besser zu verhehlen als irgendein Mensch auf Erden. Dazu ertrug er alle leiblichen Beschwerden mit großer Geduld, so daß er sich zum Rate des Kardinals von York, eines Prälaten vom größten Einflüsse, emporschwang und in dessen
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