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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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mehr ich dein früheres Leben ins Auge fasse. Aber wenn du mich liebst, wie es die neue Freundschaft verlangt, die ich mit deinem Herrn Gemahl geschlossen habe, so ist es mir erwünscht: ich danke dir dafür und fordere dich auf, dabei zu beharren; denn da ich ihn wie einen verehrten Bruder hebe, so werde ich auch dich als wahre Schwester lieben und immer in allen Stücken, die unsere Freundschaft verlangt, zu deinen Diensten vollständig bereit sein. Wenn du nun aber andere Gedanken im Herzen hegst und wünschest, daß ich in das alte Joch zurückkehre, wenn du ewig mir angehören und tun willst, was ich will, so lege diese sinnliche und ungeordnete Begier von dir und verharre auf deinem keuschen Vorhaben, wie nach meiner Überzeugung dein ganzes bisheriges Leben gewesen ist! Verhüte Gott, daß ich je daran denke, deinem Herrn Gemahl eine Beleidigung zuzufügen: denn er liebt mich, wie du mir soeben selbst gesagt hast, wie ein Bruder. Sodann, wenn mich auch sonst keine Rücksicht leitete, so bindet mich mein Wort gegen eine sehr edle und dir an Schönheit nicht nachstehende Frau, die mich wie ihre Augen, ja noch mehr, liebt, – und ich hebe sie wie das Herz in meiner Brust, ich achte und ehre sie, und wir leben beide fortwährend von gleichen Wünschen beseelt. Darum magst du mich für die Zukunft ganz als deinen Bruder betrachten.«
    Hier schwieg der Markgraf. Da er aber sah, daß die Frau sich anschickte, mit neuen und noch feurigeren Bitten als zuvor ihn wieder zu bestürmen, sagte er, um diesen Gegenstand mit einem Male abzubrechen: »Frau Lionora, ich empfehle mich dir. Leb wohl!«
    Damit ging er hinweg und ließ die Frau so beschämt und verdrießlich stehen, daß sie eine gute Weile ganz betroffen dastand und nicht wußte, wo sie war. Als sie sich sodann sammelte und ganz niedergeschlagen nach Hause kehrte, fiel sie bei dem Nachdenken über die Worte des Markgrafen und die Einsicht, daß er keineswegs geneigt sei, ihren Wünschen entgegenzukommen, in solche Schwermut, daß sie vor Gram und Verdruß krank wurde. Bekanntlich wird allgemein angenommen, daß den Frauen nichts Peinlicheres und Herzkränkenderes begegnen kann, als sich verschmäht zu sehen. Nun stellt euch vor, wie es der zumute sein mußte, die von allen für die hochmütigste, stolzeste und trotzigste Frau in ganz Neapel gehalten wurde! Sie legte sich nun zu Bette und tat den ganzen Tag nichts als weinen und seufzen. Einerseits kam es ihr freilich manchmal vor, als verdiene sie es viel schlimmer, als sie es hatte, indem sie an die Härte und Starrheit dachte, die sie fürderhin gegen den Ritter geübt, und sie meinte, sie müsse das nun auch geduldig hinnehmen; wenn sie sich aber erinnerte, wie sie ihn demütig gebeten und sich ihm aus freien Stücken offen erklärt habe, geriet sie ganz außer sich und wollte nicht mehr leben. Sodann suchte sie wieder sich selbst zu täuschen und sagte bei sich: »Warum will ich so heftig verzweifeln über einer einfachen abschlägigen Antwort? Er ist mir viele Jahre nachgefolgt, und obgleich ich ihn nicht anhören noch seine Briefe und Botschaften annehmen mochte und mich tagtäglich widerspenstiger zeigte, so hat er sich doch durch nichts einschüchtern noch von seinem Zwecke abschrecken lassen und hat keineswegs sterben wollen, sondern sich vielmehr immer beständiger erwiesen. Wer weiß, wenn ich ein zweites Mal mit ihm rede und ihm eindringlichere Vorstellungen mache, ob er nicht aufhört, mir zu widerstehen und der meine wird? Das Glück steht den Kühnen bei und verleugnet die Zaghaften. Wer da flieht, hat den Mut zu siegen nicht. Es ist also vonnöten, daß ich mein Heil bei ihm zum andern Male versuche und ihm noch heißere Bitten ans Herz lege. Ich hätte nimmermehr eine Unterredung in der Kirche von ihm fordern sollen. Ich mußte ihn jedenfalls bewegen, in mein Haus zu kommen. Wären wir in meiner Kammer beisammen gewesen und ich hätte ihm die Arme um den Hals geschlungen, – ich glaube nicht, daß er so spröde mit mir getan haben würde. Er ist ja auch nicht von Marmor oder Eisen, sondern wie die andern von Fleisch und Bein.«
    Auf diese Weise phantasierte das arme Weib zwei oder drei Tage und war nicht imstande, an etwas anderes zu denken, als wie sie die Liebe des Markgrafen sich erwerben könne. Von einer unbestimmten Hoffnung beseelt, fing sie wieder an, Nahrung zu sich zu nehmen und ein wenig frischen Atem zu schöpfen. Ihre Leute im Hause, die mit ihr in der Kirche gewesen waren und sie

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