Italienische Novellen, Band 2
Herr und Meister über die Insel schaltete, geschah es, daß Francesco Frescobaldo durch große Unglücksfälle und Verluste an seinen Waren, wie solchen Kaufleute stets ausgesetzt sind, eine völlige Zerrüttung seines Vermögens erfuhr; denn als ein rechtlicher und edeldenkender Mann befriedigte er alle seine Gläubiger, konnte aber, was ihm andere schuldeten, nicht beitreiben. So herabgekommen und verarmt, ging er nun seine Bücher durch und fand nach genauer Berechnung, daß er in England mehr als fünfzehntausend Dukaten zu fordern habe, weshalb er beschloß, dahin zu reisen, soviel als möglich davon einzuziehen und den Rest seines Lebens in Ruhe zu verbringen. Mit diesem Gedanken reiste er von Italien nach Frankreich und von Frankreich nach England und verweilte in London, ohne sich indes nur mit einem Gedanken der edeln Handlung zu erinnern, die er an Cromwell zu Florenz übte; wie es eines wahrhaft milden Herzens würdig ist, die andern erwiesenen Wohltaten zu vergessen und die empfangenen in Marmor zu hauen, um sie zu vergelten, sooft sich Gelegenheit dazu darbietet. Als er nun in London seine Geschäfte betrieb, ging er eines Tages durch eine Straße, und der Zufall fügte es, daß der Oberkämmerer ebenfalls diese Straße und zwar dem Frescobaldo entgegen kam. Sobald ihn der Oberkämmerer erblickt und die Augen fest auf ihn geheftet hatte, erkannte er ihn für jenen, der in Florenz so edelmütig an ihm gehandelt hatte. Er stieg vom Pferde (denn er kam geritten), ging zur größten Verwunderung aller seiner Begleiter (über hundert der vornehmsten Großen des Königreichs waren zu Pferde in seinem Gefolge) auf ihn zu, umarmte ihn auf das liebevollste und sprach unter Tränen: »Seid Ihr nicht Francesco Frescobaldo aus Florenz?«
»Der bin ich, gnädiger Herr«, antwortete jener, »und Euer unterwürfigster Diener.«
»Mein Diener«, sagte der Oberkämmerer, »seid Ihr weder, noch begehre ich Euch dazu, sondern zu meinem wertesten Freunde. Auch sollt Ihr wissen, daß ich gerechte Ursache habe, mich sehr über Euch zu beklagen; denn da Ihr wußtet, wer und wo ich sei, hättet Ihr mich von Eurer Ankunft in London benachrichtigen sollen; dann würde ich gewiß einen Teil der Schuld abgetragen haben, wegen welcher Euch verbunden zu sein ich gerne gestehen will. Doch Gott sei gelobt, daß es noch Zeit ist! Ihr sollt tausendmal willkommen sein. Ich bin jetzt in Geschäften meines Königs und kann nicht länger bei Euch verweilen; darum haltet mich für entschuldigt! Sucht es aber um jeden Preis möglich zu machen, heute mittag bei mir zu speisen, und bleibt nicht aus!«
Hiermit stieg der Oberkämmerer wieder zu Pferde und ritt an den königlichen Hof. Frescobaldo erinnerte sich, da der Oberkämmerer fort war, daß dies der junge Engländer gewesen sei, den er in Florenz in sein Haus aufgenommen hatte, und begann Hoffnung zu schöpfen; denn er dachte, die Vermittelung eines so mächtigen Freundes werde es ihm erleichtern, sein Geld beizutreiben. Als nun die Mittagsstunde herankam, begab er sich in den Palast des Oberkämmerers und hatte nicht lange im Hofraume gewartet, so kam dieser zurück, stieg vom Pferde, umarmte Frescobaldo von neuem sehr freundschaftlich, wandte sich dann zu dem Admiral und den übrigen Fürsten und Herren, die mit ihm zur Tafel gekommen waren, und sprach: »Meine Herren, wundert euch nicht über die Freundschaftsbezeugungen, die ich diesem florentinischen Edelmann erweise: denn es sind nur Abschlagszahlungen für die unendlichen Verpflichtungen, die ich gegen ihn zu haben mir bewußt bin und gerne gestehe; denn meinen gegenwärtigen Rang bekleide ich nur durch ihn. Vernehmt, wie sich das verhält!«
Hierauf erzählte er vor allen Anwesenden, indem er die Hand des florentinischen Edelmanns in der seinen hielt, wie er nach Florenz gekommen sei und welche Liebesdienste er dort von ihm empfangen habe. Hierauf führte er ihn an seiner Hand in den Saal, und als sie dort angekommen waren, setzten sie sich zu Tische. Der Oberkämmerer bestimmte, daß Frescobaldo den Platz an seiner Seite einnehmen solle, wo er ihn dann mit den zärtlichsten Liebkosungen überhäufte.
Als die Tafel aufgehoben wurde und die Gäste sich beurlaubt hatten, wünschte der Oberkämmerer zu wissen, warum Frescobaldo wieder nach London gekommen sei. Frescobaldo erzählte ihm sofort sein ganzes Unglück und wie ihm außer dem Hause in Florenz und einem Landgut in der Nähe fast nichts geblieben sei als die
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