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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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gehorsam finden, und ich befehle in deine Hände meine Seele und mein Leben. Und welches größere Glück kann denn der Mensch finden, als seinen Feind um Gnade rufend zu seinen Füßen niederfallen zu sehen? Siehe du das jetzt, mein Gebieter: denn dein gutes Geschick will, daß ich alles, was ich je gegen dich verbrochen, nun durch doppelte Strafe abbüße. Wenn meine Leute, die hier in die Kirche mich begleitet haben, mich nicht sähen, so würde ich mich zu Boden werfen und um Erbarmen schreiend dir tausendmal die Füße küssen. Jetzt bin ich denn ganz die deine: mache mit mir, was dir am besten gefällt! Wünschest du, um deine früheren Bemühungen zu rächen, daß ich sterbe, so gib mir mit diesem Schwerte, das du umgürtet hast, mit deiner Hand den Tod! Denn in jedem Falle, wenn ich deine Gunst nicht erlange, darfst du überzeugt sein, daß in kurzem mein Leben zu Ende gehen wird. Wenn aber ein Funke deiner schlecht belohnten Liebe, die du sonst für mich hegtest, dir noch im Busen glimmt, wenn du der hochherzige Fürst bist, für den dich das ganze Reich ausgibt, so geruhe mit mir Erbarmen zu haben! Und wenn du vielleicht zu wissen wünschest, wie diese meine plötzliche Umwandlung erfolgt und woher diese meine glühende Liebe zu dir entstanden ist, so will ich dir es sagen. Mein Gatte, der dich mehr als sich selbst hebt und dir so tief verpflichtet ist, hat mir dieser Tage eine Predigt gehalten über deine rühmlichen Eigenschaften und dich so sehr gelobt, daß meine Augen, die erblindet waren, sich plötzlich auftaten und ich so glühend für dich entbrannte und mich so ganz dir hingegeben fühlte, daß ich gar nicht mehr meiner mächtig bin. Deshalb bin ich hierhergekommen, um dir mein Begehr zu offenbaren, damit eins von beidem geschehe, entweder daß ich als die deinige lebe, oder daß ich sterbe. In deiner Hand also ruht mein Leben und mein Tod.«
    Nach diesen Worten brach ein Strom von Tränen aus ihren Augen, und sie schwieg, von Schluchzen unterbrochen. Solange die Frau sprach, hatte der Markgraf aufmerksam zugehört und unterdessen die mannigfaltigsten Gedanken bei sich gehabt. Er sah sie reizender als jemals, und der Schmerz erhöhte noch ihre Schönheit und Anmut; er sah sie bereit, allen seinen Befehlen zu gehorchen, und fühlte den Stachel der Lust in sich erwachen, welche ihm zuflüsterte, er könne ja ihr zu Gefallen die Freuden der Liebe mit ihr genießen und mit einer passenden Antwort und Verabredung einer Zusammenkunft sie für jetzt getröstet entlassen. Aber seine Vernunft war stärker als seine Sinnlichkeit. Sobald er daher sah, daß sie, von Tränen gehemmt, nichts mehr sagte, antwortete er ihr auf folgende Weise: »Nicht wenig, Frau Lionora, habe ich mich gewundert, daß du zu einer Unterredung mit mir kommst; und je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr muß ich mich wundern; ja, ich kann es kaum glauben, obschon ich dich hier sehe, wenn ich mich der Zurückhaltung erinnere, die du so lange Jahre her streng gegen mich geübt hast. Was ich früher tat, als ich heftig in dich verhebt war, braucht mir nicht ins Gedächtnis gerufen zu werden: denn ich sehe es beständig wie in einem hellen Spiegel sehr klar und schäme mich über mich selbst. Und ob ich damals um deinetwillen bald brannte, bald erstarrte, ob ich oft dem Tode nahe war, das wissen diese meine beiden Augen, die in jener Zeit zwei Quellen ähnlich sahen; noch kann es mir ganz Neapel bezeugen, das meine glühendsten Wünsche und meine eisigste Furcht so oft gesehen hat. Der Lohn für meine so lange peinvolle, beständige und treue Dienstbarkeit war, wie du in Wahrheit gesagt hast, nichts; ich schrieb das nicht einer dir innewohnenden Undankbarkeit, nicht der Härte und Grausamkeit zu, sondern hegte immer die feste Überzeugung, da habest dich den Angriffen der Liebe widersetzt, um den Preis deiner unübertroffenen Sittsamkeit unbefleckt zu erhalten. Nachdem ich sonach klar eingesehen hatte, daß meine Bemühungen vergeblich seien, habe ich dich aufs höchste gelobt, und sooft man von dir sprach, wenn viele deine Härte anklagten, habe ich immer dich mit aufrichtigen Lobpreisungen gefeiert als eine der keuschesten und schamhaftesten Frauen von der Welt. Daß du erst jüngst durch die Lobsprüche, die dein Herr Gemahl mir erteilt hat, dich hast bewegen lassen, mich zu lieben, und in das Labyrinth eingetreten bist, in welchem verschlossen ich das herbste und bitterste Leben geführt habe, scheint mir um so auffallender, je

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