Italienische Novellen, Band 2
daß von ihr übel gesprochen wurde, und er gebot seinem Gefährten, von etwas anderem zu reden, indem er wieder anhub zu weinen und zu seufzen. Er verlor auf diese Weise bald seine gesunde Gesichtsfarbe und wurde täglich mehr mager und abgezehrt, so daß er einem Wilden ähnlicher sah als einem Menschen. Desgleichen hatte ihn sein aschgraues Gewand mit der Kapuze hinten, sein langgewachsener Bart, sein verworrenes Haar und seine täglich mehr einsinkenden Augen so außermaßen entstellt, daß von seinen früheren Zügen auch keine Spur übriggeblieben war.
Wie Don Diegos Mutter ihn am nächsten Morgen nicht zu Tische kommen sah, fragte sie nach ihm. Der Diener, dem der Ritter den Brief an die blonde Ginevra gegeben hatte, berichtete der Mutter, daß er mit einem einzigen Diener ausgeritten sei und hinterlassen habe, er werde binnen drei Wochen zurückkehren. Die gute Mutter beruhigte sich damit. Als die vier Tage nach des Ritters Abreise um waren, brachte der Diener der blonden Ginevra den Brief und händigte ihn ihr, die er gerade mit ihrer Mutter im Saale traf, mit der schuldigen Ehrerbietung ein. Sobald sie merkte, daß der Brief von Don Diego kam, warf sie ihn zu Boden und sagte voll Zorn und mit ganz entfärbtem Gesichte: »Ich habe ihm doch sagen lassen, daß ich von seinen Briefen und Sendungen nichts wissen will.«
Die Mutter lachte und sagte: »Das ist doch ein gewaltiger Zorn. Gib mir diesen Brief her, ich will ihn lesen!«
Einer der Dienstleute des Hauses hob den Brief auf und überreichte ihn seiner Gebieterin. Diese öffnete ihn und las folgendes: »Dieweil also, meine Gebieterin, meine Unschuld keine gute Statt in Eurem Herzen findet, wo sie sich durch Eröffnung der Wahrheit rechtfertigen möchte, und da ich aus unzweideutigen Zeichen erkennen muß, Euch nicht nur lästig zu sein, sondern auch tödlich von Euch gehaßt zu werden, es aber nicht ertragen kann, daß ich Euch in irgendeinem auch noch so unbedeutenden Stücke Anlaß zum Mißvergnügen werde, habe ich beschlossen, so weit von hier wegzugehen, daß weder Ihr noch sonst jemand jemals von mir wieder hören soll, damit Ihr, wenn ich auch noch so unglücklich bin, vergnügt leben könnt. Es ist mir sehr hart und über die Maßen qualvoll, mich von Euch verschmäht zu sehen; aber ungleich härter und qualvoller ist es mir, zu wissen, daß Ihr über mich oder über etwas, was ich tue, wenn es auch gut gemeint war, Euch erzürnt oder kränkt. Mir ist jede Strafe geringer als die, die mir Euren Unwillen zuwege bringt. Mein schwaches Leben wird nicht lange so harte Martern ertragen, wie die sind, die ich jede Stunde erdulde. Ehe es also, was bald geschehen wird, zu Ende geht, habe ich Euch in diesem meinem letzten Briefe die einfache Wahrheit meiner Angelegenheiten vorstellen wollen, nicht etwa, um Euch zu beschämen, sondern als ein Zeugnis meiner Unschuld. Denn da ich nicht in Eurer Ungnade leben will, soll wenigstens die Welt wissen, daß ich Euch, wie nur immer ein Mann eine Frau lieben kann, geliebt habe, liebe und ewig lieben werde und die feste Hoffnung habe, wenn ich tot bin, werdet Ihr, obschon zu spät, für mich Mitleid fühlen; denn Ihr werdet am Ende einsehen, daß ich nie, auch nicht in Gedanken, etwas begangen habe, was Euch vernünftigerweise betrüben könnte. Ich liebte Euch, wie Ihr wißt, nicht, um Euch Eure jungfräuliche Ehre zu rauben, sondern um Euch, wenn es Euch gefiele, zur Gemahlin zu bekommen, und dafür habe ich kein besseres Zeugnis als Euch selbst. Da Ihr nun um keiner andern Ursache willen als wegen des mir dieser Tage zum Geschenk gemachten Sperbers mir zürnt, so sage ich Euch, daß Isabella, die Tochter des Herrn Ferrando, mir den besagten Vogel zum Geschenk übersandte, und daß ich geglaubt haben würde, eine große Unhöflichkeit zu begehen, wenn ich ihn nicht angenommen hätte, weil dies unter Adeligen gebräuchliche Geschenke sind. Mit Isabella aber habe ich nie und nirgends als in Eurem Hause und in Eurer Gegenwart gesprochen. Ob sie mich auf die Weise geliebt hat, wie Ihr Euch einbildetet, weiß ich nicht, weil sie gegen mich selbst kein Wort darüber äußerte. Hätte sie dies je getan, so würde sie bald klar darüber geworden sein, daß ich nur ein Herz habe, das nicht mehr frei war, da ich schon Euch damit ein unwiderrufliches Geschenk gemacht hatte. Wenn sie nun erfährt, daß ich aus Rücksicht auf Euch ihren Sperber erwürgt und den Hunden zu fressen gegeben habe, so denke ich, wird sie versichert
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