Italienische Novellen, Band 3
plötzlich zur Erde fiel und kaum noch zu atmen vermochte. Doch mit der wenigen Stimme, die ihr noch blieb, rief sie den Mohren um Hilfe an. Dieser sprang aus dem Bette und sprach: »Das ist der Lohn, du ruchloses Weib, für deine Untreue! So behandelt man die Weiber, die unter dem Schein der zärtlichsten Liebe gegen ihre Männer ihnen Hörner aufsetzen!«
Wie die unglückliche Frau dies hörte und ihr Ende nahen fühlte – denn der Fähnrich hatte ihr noch einen Streich versetzt –, so rief sie zum Zeugen ihrer Unschuld, da ihr auf Erden kein Recht widerfahren solle, die himmlische Gerechtigkeit an und flehte zu Gott, ihr beizustehen, indem der ruchlose Fähnrich sie mit dem dritten Streiche völlig tötete. Darauf legten die beiden sie in das Bett, zerschlugen ihr das Haupt und rissen, wie sie zuvor ausgemacht hatten, die Stubendecke ein. Sodann hub der Mohr an, um Hilfe zu rufen, da das Haus einfalle, bis die Nachbarn auf seinen Ruf herbeistürzten und bei Untersuchung des Bettes das arme Weib unter den Balken erschlagen fanden.
Die Trauer hierüber war allgemein wegen der Vorzüge der Dame, und so wurde Disdemona am folgenden Tage unter den Klagen der ganzen Einwohnerschaft zur Erde bestattet. Der gerechte Gott aber, der die Herzen der Menschen durchschaut, wollte nicht, daß eine so unerhörte Schandtat der ihr gebührenden Strafe ermangeln sollte. Denn der Mohr hatte seine Gattin mehr als das Licht seiner Augen geliebt, und von der Stunde an, da er sich ihrer beraubt sah, überkam ihn eine solche Sehnsucht nach ihr, daß er wie außer sich selbst geriet und sie allerwärts in seiner Wohnung suchte. Ja, indem er bedachte, daß er durch die Schuld des Fähnrichs mit seiner Gattin allen Reiz des Lebens und sich selber verloren habe, wurde ihm der Bösewicht so in der Seele verhaßt, daß er ihn nicht mehr ansehen konnte und ihn wohl gar auf offener Straße umgebracht haben würde, hätte er nicht vor der unbestechlichen Gerechtigkeit der Herren von Venedig Scheu getragen. Da er nun so etwas nicht wohl mit Sicherheit vollbringen konnte, so entzog er ihm die Fahne und stieß ihn aus seinem Gefolge, woher eine so heftige Feindschaft zwischen beiden entsprang, wie man sie sich nicht ärger denken könnte. Der Fähnrich, der garstiger war als alle Verbrecher, richtete alle seine Gedanken darauf, dem Mohren zu schaden, und da er dereinst den Rottenführer antraf, der wiederhergestellt war und statt seines abgehauenen Beines mit einem hölzernen einherging, sagte er zu ihm: »Die Zeit ist gekommen, da du dich für dein abgehauenes Bein rächen kannst, und wenn du mit mir nach Venedig kommen willst, so werde ich dir sagen, wer der Verbrecher ist; denn hier habe ich aus mancherlei Rücksichten dazu nicht den Mut. Ich will es dir aber dort vor Gericht bezeugen.«
Der Rottenführer, der so schwer beleidigt war, ohne zu wissen, warum, dankte dem Fähnrich und ging mit ihm nach Venedig. Sobald sie dort angelangt waren, sagte er ihm, der Mohr sei es, der ihm das Bein abgehauen, weil dieser sich in den Kopf gesetzt, er habe bei Disdemona geschlafen, und aus demselben Grunde habe er diese getötet und nachher ausgeschrieen, die eingefallene Stubendecke habe sie erschlagen. Sobald der Rottenführer diese Nachricht erhalten hatte, verklagte er den Mohren bei der Regierung wegen seines abgehauenen Beines und wegen der Ermordung der Dame und stellte als Zeugen den Fähnrich vor Gericht, der aussagte, das eine wie das andere sei wahr, denn der Mohr habe ihm alles mitgeteilt und ihn zuerst selbst überreden wollen, beide Verbrechen für ihn zu begehen, und nachdem er aus tierischer Eifersucht, die er sich in den Kopf gesetzt, sein Weib gemordet, habe er ihm anvertraut, auf welche Weise er diese Tat zustande gebracht.
Als die Herren von Venedig vernahmen, welche Grausamkeit der Barbar gegen eine ihrer Mitbürgerinnen begangen habe, ließen sie den Mohren in Cypern verhaften und nach Venedig bringen, wo sie ihn durch vielerlei Martern zu zwingen suchten, die Wahrheit einzugestehen. Aber die Kraft seiner Seele half ihm alle Marter besiegen und die Tat mit solcher Hartnäckigkeit leugnen, daß nichts aus ihm herauszubringen war. Obgleich er aber durch seine Standhaftigkeit dem Tod entging, so ward er doch nach langer Gefangenschaft zu lebenslänglicher Verbannung verurteilt, in der er zuletzt von den Verwandten seiner Frau, wie er es verdiente, umgebracht wurde.
Der Fähnrich kehrte nach seiner Heimat zurück, und da er von seiner
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