Italienische Novellen, Band 3
sah sie einst der Fähnrich am Fenster sitzen und bemerkte zugleich, daß sie damit jedem Vorübergehenden auf der Straße sichtbar sei. Er zeigte dies daher dem Mohren, der sich nun vollkommen überzeugt hielt, daß seine durchaus keusche Frau wirklich eine Ehebrecherin sei. Er beschloß also mit dem Fähnrich, sie und den Rottenführer umzubringen, und indem sich beide berieten, wie dies anzustellen sei, bat ihn der Mohr, den Mord des Rottenführers auf sich zu nehmen, wogegen er ihm auf ewige Zeiten verpflichtet zu bleiben versprach. Der Fähnrich weigerte sich zwar, diese Tat zu begehen, weil sie, wie er sagte, sehr schwierig und gefährlich wäre, da der Rottenführer nicht minder gewandt als tapfer sei. Nachdem ihn aber der Mohr lange gebeten und ihm viel Geld gegeben hatte, brachte er ihn endlich zu der Zusage, er wolle sein Glück versuchen.
Als sie diese Verabredung getroffen hatten, kam der Rottenführer eines Abends aus dem Hause einer Buhlerin, bei der er sich zu vergnügen pflegte, und der Fähnrich benützte die Dunkelheit, schlich sich mit gezogenem Schwerte an ihn heran und richtete ihm einen Hieb nach den Beinen, um ihn zu Fall zu bringen. Der Zufall fügte es, daß er ihm den rechten Schenkel entzweischlug, so daß der Unglückliche niederstürzte, worauf der Fähnrich herbeieilte, um ihm den Garaus zu machen. Aber der Rottenführer, der Herzhaftigkeit genug besaß und an Blut und Tod gewöhnt war, zog das Schwert und suchte sich, so schwer verwundet er auch war, zu verteidigen, wobei er mit lauter Stimme schrie: »Man bringt mich um!«
Als daher der Fähnrich Leute herzulaufen hörte und einige Soldaten, die in der Nähe ihr Quartier hatten, ergriff er, um nicht erwischt zu werden, die Flucht, drehte sich aber plötzlich um und stellte sich, als komme er auch auf den Lärm herbeigelaufen. Er mischte sich unter die übrigen, und da er das Bein entzwei sah, so schloß er, daß der Rottenführer, obgleich er noch nicht tot war, doch ganz gewiß an dem Schlage sterben werde, und obwohl er darüber sehr froh war, so bezeugte er doch dem Rottenführer so viel Mitleid, als ob er sein leiblicher Bruder gewesen wäre.
Den andern Morgen verbreitete sich die Sache durch die ganze Stadt und kam auch zu den Ohren Disdemonas, und sie, die sehr liebreich war und nicht ahnte, daß dies schlimme Folgen für sie haben könne, zeigte sich schmerzlich betrübt über diesen Vorfall. Der Mohr legte ihr dies sehr übel aus, ging wieder zu dem Fähnrich und sagte zu ihm: »Denke nur, die Närrin von meiner Frau ist über den Unfall des Rottenführers so betrübt, daß sie fast von Sinnen kommt.«
»Und wie konntet Ihr Euch das anders vorstellen«, versetzte der Fähnrich, »da er ihre Seele war?« »Ihre Seele, ha!« entgegnete der Mohr. »Ich will ihr schon die Seele aus dem Leibe reißen. Ich würde mich für keinen Mann halten, wenn ich diese Schändliche nicht aus der Welt schaffte!«
Sie beratschlagten hierauf, ob sie Disdemona mit Gift oder Dolch umbringen sollten; aber keines von beiden schien ihnen tunlich.
»Da fällt mir ein«, sagte der Fähnrich, »wie Ihr Euch Genugtuung verschaffen könnt, ohne daß Euch der geringste Verdacht trifft. Nämlich das Haus, worin Ihr wohnt, ist alt, und die Decke Eurer Kammer voller Ritzen. Ich denke also, wir schlügen Disdemona mit einem mit Sand gefüllten Strumpfe so lange, bis sie stürbe, damit man keine Spur, daß sie geschlagen worden, an ihr wahrnimmt; und wenn sie dann tot ist, werfen wir einen Teil der Decke auf sie herab und zerschlagen ihr den Kopf, als hätte ein herabgefallener Balken sie zerschmettert und getötet. Auf diese Weise wird niemand Verdacht auf Euch werfen und jedermann ihren Tod einem bloßen Zufalle zuschreiben.«
Dem Mohren gefiel der grausame Rat. Er paßte also die Zeit ab, die ihm am gelegensten schien, und da er eines Nachts mit ihr im Bette lag, machte der Fähnrich, den er vorher in einem Kabinett, das an die Kammer stieß, verborgen hatte, plötzlich der Verabredung gemäß in dem Kabinett ein Geräusch. Der Mohr hörte es sogleich und sagte zu seiner Gattin: »Hast du das Geräusch gehört?« »Jawohl habe ich's gehört«, entgegnete sie. »So steh auf«, versetzte der Mohr, »und sieh, was es sein mag!« Die unglückliche Disdemona stand auf, und sobald sie sich dem Kabinette näherte, trat der Fähnrich heraus und gab ihr, stark und kräftig, wie er war, einen so grausamen Schlag mit dem Sack voll Sand über das Rückgrat, daß sie
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