Italienische Novellen, Band 3
zugezogen hätte.«
Der Mohr versetzte ihm in voller Hitze: »Überzeugst du mich nicht durch meinen eigenen Augenschein von der Wahrheit deiner Angaben, so sei versichert, daß du zu der Erkenntnis kommen sollst, du wärest besser stumm geboren!«
»Diese Überzeugung hätte ich Euch leicht verschaffen können«, fügte der Bösewicht hinzu, »solange er noch Euer Hausfreund war; jetzt aber, da Ihr ihn ohne Not, vielmehr aus einer ganz geringfügigen Ursache verjagt habt, geht das nicht so bequem; denn wenn ich auch der Ansicht bin, daß er fortwährend Disdemona genießt, sooft Ihr ihm Gelegenheit dazu gebt, so fängt er es doch jetzt sicherlich vorsichtiger als vorher an, da er weiß, daß Ihr ihn jetzt haßt, was früher nicht der Fall war. Aber dessenungeachtet gebe ich die Hoffnung noch nicht auf, Euch durch den Augenschein zu beweisen, was Ihr mir nicht glauben wollt.«
Nach diesen Worten schieden sie voneinander. Der unglückliche Mohr ging nach Hause, wie von dem schärfsten Pfeil getroffen, und erharrte den Tag, an welchem ihm der Fähnrich das zeigen sollte, was ihn für immer unglücklich machen mußte. Aber ebenso unruhig war der verwünschte Fähnrich über die Keuschheit, die, wie er wohl wußte, Disdemona beobachtete, und bei der es ihm unmöglich schien, einen Weg zu finden, um dem Mohren seine falsche Angabe zu erhärten. In seinen Gedanken sich vielfältig damit beschäftigend, verfiel der Verleumder auf eine ganz unerhörte Bosheit. Die Gattin des Mohren kam, wie schon gesagt, oft zu der Gattin des Fähnrichs ins Haus und brachte einen guten Teil des Tages bei ihr zu. Da nun der Fähnrich bemerkte, daß sie um diese Zeit ein Schnupftuch trug, das ihr, wie er wußte, der Mohr geschenkt hatte, das äußerst fein auf maurische Weise gearbeitet war und von der Dame wie von dem Mohren sehr wert gehalten wurde, so bildete sich bei ihm der Vorsatz aus, ihr dieses Tuch heimlich zu entwenden und mittels dieses sie ins Verderben zu stürzen. Er hatte ein Töchterchen von drei Jahren, das Disdemona sehr liebte. Dies nahm er, als die unglückliche Dame eines Tages in das Haus dieses Bösewichts kam, auf den Arm und setzte es ihr auf den Schoß. Disdemona nahm es und drückte es an ihre Brust. Indes nahm ihr der Betrüger, der sich vortrefflich aufs Taschenspielen verstand, das Taschentuch so geschickt vom Gürtel, daß sie nicht das geringste davon bemerkte, und ging voller Freuden von ihr hinweg. Disdemona, die davon nichts ahnte, ging nach Hause und vermißte, da sie mit andern Gedanken beschäftigt war, das Schnupftuch nicht. Einige Tage nachher aber, da sie es suchte und nicht fand, war sie sehr in Furcht, der Mohr möchte, wie er öfter tat, danach fragen. Der gottlose Fähnrich ersah sich indes eine gelegene Zeit, ging zu dem Rottenführer und ließ mit verschmitzter Bosheit das Schnupftuch zu Häupten seines Bettes zurück, was der Rottenführer erst am folgenden Morgen bemerkte: denn als er vom Bett aufstand, trat er mit dem Fuß auf das Schnupftuch, das zur Erde gefallen war. Er erkannte es als das Eigentum Disdemonas, ohne begreifen zu können, wie es in sein Haus gekommen sei, und beschloß, es ihr zurückzugeben. Er wartete, bis der Mohr ausgegangen war, begab sich an die Hintertür des Hauses und klopfte an. Aber das Glück, das sich mit dem Fähnrich zum Verderben der Armen verschworen zu haben schien, wollte es, daß der Mohr in demselben Augenblicke wieder nach Haus kam. Da er nun an der Tür klopfen hörte, trat er an das Fenster und rief heftig erzürnt: »Wer klopft da?«
Als der Rottenführer die Stimme des Mohren vernahm, fürchtete er, er möchte herabkommen, um ihn zu verderben, und ergriff die Flucht, ohne zu antworten. Der Mohr stieg die Treppe hinab und öffnete die Tür. Als er aber auf die Straße trat und ihn suchte, fand er ihn nicht mehr. Er ging also voller Wut ins Haus zurück und fragte seine Gattin, wer unten geklopft habe. Sie antwortete, der Wahrheit gemäß, sie wisse es nicht.
»Mich deuchte aber«, sagte der Mohr, »es war der Rottenführer.«
»Ich meinesteils«, antwortete sie, »weiß nicht, ob er es war, oder wer sonst.«
Der Mohr hielt seine Wut zurück, obgleich er vor Zorn glühte, und wollte nicht eher etwas unternehmen, bis er mit dem Fähnrich gesprochen, zu dem er sich schleunigst begab, indem er ihm den Vorfall erzählte und die Bitte hinzufügte, den Rottenführer so genau als möglich darüber auszuforschen. Über einen ihm so willkommenen Vorfall
Weitere Kostenlose Bücher