Italienische Novellen, Band 3
erwartete, zum Tode geführt zu werden, vor sich bringen und sprach zu ihm: »Verräter, die Güte Epitias hat so viel über mich vermocht, daß ich dir, dessen Verruchtheit den Tod doppelt verdient hätte, um ihretwillen das Leben schenke, und du sollst wissen, daß du nur ihr dessen Erhaltung zu danken hast; und da sie es zufrieden ist, mit dir zu leben, nachdem sie das Band an dich geknüpft hat, das dich auf meinen Befehl mit ihr verbindet, so bin ich es auch zufrieden, daß du mit ihr lebst. Aber kommt es mir je zu Ohren, daß du sie anders denn als eine liebevolle und großmütige Gattin behandelst, so sollst du erfahren, in welchen Unwillen ich darüber gerate.«
Nach diesen Worten faßte der Kaiser Epitias Hand und übergab sie dem Juriste, worauf sie und Juriste mit ihr Seiner Majestät für die ihnen erwiesene Huld und Gnade ihren Dank aussprachen. Juriste aber erwog, welche Großmut Epitia an ihm geübt habe, und hielt sie immer teuer und wert, und so konnte sie den Rest ihrer Tage glücklich mit ihm verleben.
Giovanni Battista Giraldi
Der Gang nach der Löwengrube
(Schiller, Der Gang nach dem Eisenhammer)
Zu der Zeit, da Sultan Selim in Konstantinopel herrschte, raubten die Korsaren einen schönen, aus Korfu gebürtigen Jüngling namens Lamprino und brachten ihn ihm zum Geschenke dar, der sich durch den Anblick dieses Christensklaven so gerührt fühlte, daß er, wider seine sonstige Gewohnheit, ihn nicht töten ließ, obwohl er ihn um keinen andern Preis als unter der Bedingung vom Tode freigab, daß er den wahrhaften Glauben, in dem er geboren und damals bis zu dem Alter von fünfzehn Jahren erwachsen war, abschwöre.
Von seinem zarten Alter und seinen geringen Erfahrungen, zumeist aber von der Furcht vor dem Tode, diesem schrecklichsten der Schrecken, verführt, entschloß sich der junge Mensch in dem Bewußtsein, sich in der Gewalt eines so grausamen Mannes zu befinden, zwar äußerlich den Heiland zu verleugnen und Mohammed mit Worten und Gebärden anzubeten; aber in seinem Herzen blieb er der Christusreligion nach wie vor getreu.
An Schönheit und innerem Werte gedeihend, erlangte Lamprino die Gunst des Königs mit der Zeit in immer höherem Grade; da es denn aber nicht anders sein konnte, als daß demnach viele ältere und höhere Diener um seinetwillen zurückgesetzt wurden, so zog ihm eben sein gutes Glück viele Neider und Hasser zu.
Unter den anderen Leuten des Hofes lebte auch einer, der Zelimo hieß und, weil er bei dem Sultan Selim in großen Ungnaden stand, eigentlich immerdar gefährdet war, sein Leben zu verlieren.
Wie nun dieser Zelimo sah, daß Lamprino so viel über den König vermochte, kam er auf den Gedanken, ob er sich diesen nicht durch seine Vermittlung auch wohl wieder geneigt machen könnte. Er ging deswegen eines Tages zu ihm, klagte ihm sein großes Mißgeschick und ersuchte ihn um den Freundschaftsdienst, den König dahin zu bewegen, daß er ihn wieder als seinen getreuen Kämmerling bei sich aufnehme, der er früherhin gewesen sei. Er versprach Lamprino dagegen, einer solchen Wohltat nimmermehr gegen ihn uneingedenk zu werden und ihm zeitlebens dafür dankbar zu bleiben.
Lamprino war von Natur menschenfreundlich und wohlwollend und versah sich also nicht so bald dieser Gelegenheit, Zelimo beizustehen, als er ihm auch bereitwillig das Versprechen ablegte, für die Erfüllung seines Wunsches alles zu tun, was ihm irgend möglich sei, und, sodann seine Zeit wahrnehmend, eine Fürbitte für ihn beim König einlegte.
Als der König seinen Günstling Lamprino so warm für Zelimo sprechen hörte, sagte er: »Du kennst seine Natur nicht so wie ich. Glaube nicht etwa, daß ich ihn aus bloßer Abneigung aus meinem Dienste entfernt habe: nein, ich tat es, weil er mir dazu nicht würdig genug erschienen ist. Desungeachtet will ich nicht, daß du sagen sollest, ich hätte dir eine deiner Bitten jemals nicht erfüllt. Es soll geschehen, was du wünschest, nicht darum, weil ich anderer Meinung über Zelimo geworden wäre, als ich bisher gewesen bin, sondern damit du selbst erkennest, wie unwert er des Amtes ist, das du für ihn ansprichst.«
Lamprino erwiderte: »Ich bin weit entfernt, mein hoher Herr, Euch verleiten zu wollen, etwas gegen Euren Willen zu tun; denn mein ganzes Sinnen und Trachten ist nur dahin gerichtet, Euch zu Gefallen zu leben; aber ich bin überzeugt, daß Zelimo Euch fortan der getreueste Diener sein wird, und habe ihm meine Verwendung bei Euch nicht eher
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