Italienische Novellen, Band 3
jeder Lage beschaffen sein müsse, scheinbar ruhig und zufrieden. Sie sagte zu dem Kerkermeister: »Hinterbringe deinem und meinem Herrn wieder, daß ich meinen Bruder annehme so, wie es ihm gefallen hat, ihn mir zu senden, und daß es mir, da er meinen Willen nicht habe tun wollen, recht sei, den seinigen erfüllt zu haben, den ich zu dem meinen mache, insofern ich glauben will, er habe an dem, was er getan, eben recht gehabt. Empfiehl mich ihm mit der Versicherung, daß ich zu jeder Zeit bereit sei, ihm du dienen!«
Der Kerkermeister meldete Juriste Wort für Wort, was Epitia ihm für ihn aufgetragen, und berichtete ihm, daß sie bei dem entsetzlichen Anblicke auch nicht das mindeste Zeichen von Unmut habe blicken lassen. Juriste freute sich, als er das hörte, in seinem Innern sehr und ward der Meinung, das Mädchen möchte ihm wohl nach wie vor ihren Besitz gestatten, als wenn sie seine Frau wäre und er ihr Vico lebendig zurückgegeben hätte.
Sowie der Kerkermeister fort war, hub Epitia an, über ihren toten Bruder bitterlich zu weinen und lange und schmerzliche Klage zu erheben. Sie verwünschte Juristes Grausamkeit und ihre eigene Einfalt, daß sie sich ihm vor der Befreiung ihres Bruders ergeben. Nachdem sie lange geweint, ließ sie den Leichnam zur Erde bestatten und zog sich darauf selbst in ihre einsame Kammer zurück, wo sie, von gerechtem Unwillen erregt, zu sich sagte: »Also willst du es ruhig dulden, Epitia, daß dieser Schurke dir deine Ehre geraubt und er dir dafür den Bruder lebend freizugeben versprochen, danach aber ihn dir tot in so jämmerlicher Verunstaltung dargebracht hat? Willst du es ruhig dulden, daß er sich doppelten Betrugs, den er an deiner Einfalt begangen, rühmen könne, ohne daß er dafür von dir die gebührende Züchtigung erhält?«
Mit solchen Worten feuerte sie sich zur Rache an und sagte weiter: »Meine Einfalt hat diesem Bösewichte den Weg gebahnt, das Ziel seiner schändlichen Wünsche zu erreichen. Seine Lüsternheit soll mir nun das Mittel zu meiner Rache an die Hand geben; und wenn auch die Rache mir nicht das Leben meines Bruders zurückgibt, so soll sie mir doch das Gemüt erleichtern helfen.«
Bei solcher Aufregung bestärkte sie sich in diesem Gedanken immer mehr und wartete nur darauf, daß Juriste sie von neuem zu sich bescheiden lassen werde, um bei ihr zu schlafen. Für diesen Fall hatte sie beschlossen, heimlich ein Messer mit sich zu nehmen und ihn wachend oder schlafend, sobald sich die Gelegenheit dazu darböte, zu ermorden; ja, wenn es irgend möglich wäre, wollte sie ihm den Kopf abschneiden, diesen auf das Grab ihres Bruders tragen und seinem Schatten weihen. Nachher dachte sie der Sache freilich auch wieder reiflicher nach und sah ein, daß, wenn es ihr selbst gelänge, den Schuldigen zu töten, doch mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen sei, daß man sie ein ehrloses Weib nennen und glauben werde, sie habe diese Tat viel mehr aus Bosheit und Eifersucht vollbracht, als weil er so treulos an ihr gehandelt. Da ihr nun die große Gerechtigkeitsliebe des Kaisers wohlbekannt war, der sich damals zu Villach aufhielt, so beschloß sie, zu ihm zu gehen und sich bei Seiner Majestät über die Undankbarkeit und Ungerechtigkeit Juristes gegen sie zu beklagen, in der festen Überzeugung, der so gnädige und gerechte Kaiser werde dem Bösewicht den verdienten Lohn für seine Ungerechtigkeit und Undankbarkeit erteilen.
In Trauerkleider gehüllt, trat sie heimlich und ohne Begleitung den Weg zu Maximilian an, bat um ein Gehör, und als es ihr gewährt wurde, warf sie sich ihm zu Füßen und sprach mit klagender Stimme und der ganzen Haltung einer Tiefgebeugten: »Erhabenster Kaiser, es führt mich vor Eure Majestät der arge Verrat und die unglaubliche Ungerechtigkeit, die Juriste, Eurer kaiserlichen Majestät Statthalter zu Innsbruck, an mir verübt hat; ich habe die Hoffnung, Ihr werdet die Gerechtigkeit, die nie einem Unglücklichen versagt blieb, auch hier auf eine Weise üben, daß dieser Juriste, über den ich mich des beispiellosen Unrechts wegen, das er mir getan hat, unermeßlich zu beklagen habe, nicht triumphieren dürfe, mich so jämmerlich erwürgt zu haben: Entschuldige Eure Majestät dieses Wort, das, so stark es auch scheint, doch der grausamen und unerhörten Schande nicht gleichkommt, die mir dieser Bösewicht zugefügt, der sich zugleich höchst ungerecht und höchst treulos an mir erwiesen hat.«
Hierauf erzählte sie dem Kaiser unter
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