Italienische Novellen, Band 3
gütigen Herren mit Undank vergalten.«
Sowie Selim Zelimo solchermaßen reden hörte, antwortete er rasch darauf, in Beachtung dessen, was alles Lamprino für ihn getan hatte: »Ist dies, mein Lieber, der gute Wille, mit dem du Lamprino lohnst, dem du alles zu verdanken hast, was du bist?«
»Ich verkenne gewiß nicht meine Verpflichtungen gegen Lamprino«, antwortete Zelimo, »und wofern dies das einzige Bedenken wäre, das ich zu beobachten hätte, würde ich geschwiegen haben. Aber da ich Euch noch mehr als ihm schuldig bin und wohl oder übel sehen muß, wie er Euch hintergeht, so macht es mir meine Euch gelobte Treue zur Pflicht, Euch die Wahrheit auszusagen.«
»Und aus welchem Grunde«, sprach Selim, »bist du der Meinung, daß mir Lamprino ungetreu sei? Mir hat er bis zu dieser Stunde auch nicht den leisesten Verdacht erregt.«
»Weil Euer günstiges Vorurteil für ihn«, fiel ihm Zelimo in die Rede, »das Auge Eures Verstandes so sehr geblendet hat, daß es seinen Verrat in der wichtigsten Angelegenheit Eures Hofes nicht erblickt.«
»Was scheint dir die wichtigste Angelegenheit unsers Hofes zu sein?« fragte Selim.
»Die Lamprino anvertraute Obhut über Tamulia«, sprach Zelimo scharf: »deren äußerster Gunst er mit so gutem Glücke nachstrebt, daß er sie wohl schon erworben haben würde, hätte nicht bis jetzt noch die Furcht vor Eurem Zorne seinen zügellosen Willen gebändigt, der indessen nichtsdestoweniger, da auch das härteste Weiberherz andrängenden Liebesbitten nicht auf die Dauer widersteht, sein schmähliches Ziel am Ende erreichen wird.«
Indem er Tamulias Namen nennen hörte, wurde Selims Antlitz feuerrot. »Du behauptest also«, sprach er, »Lamprino sei im buhlerischen Einverständnisse mit Tamulia?«
»So ist es, Herr«, entgegnete Zelimo dreist, »und wenn Eure edle Zuversicht Euch, wie gesagt, bisher nicht selbst betrogen hätte, so würde die Art und Weise, wie die Strafbaren miteinander umgehen, Euch schon längst verraten haben, wessen meine gegenwärtige Anklage sie beschuldigt. Ich verwundere mich gar nicht, daß ein Mensch von einem fremden Volke und eines so ganz anderen Glaubens als der unsere Euch die Treue bricht. Die Christen sehen uns ebensowohl für ihre Erbfeinde an, wie wir sie für die unsrigen, und sie machen sich nach den Gesetzen ihrer Religion sogar ihrem Gotte desto angenehmer, je größeren Schaden und je größeres Leid sie uns antun. Lamprino ist ein Christ und Tamulia eine Christin; sie sind beide aus Korfu, wie wir wissen, und also überdies Landsleute; wie sollte es da nun nicht leicht geschehen können, daß sie ihm nicht minder als Euch selbst angehörte? Sie können ja auch Kinder miteinander zeugen, die Ihr für Eure eignen Kinder anseht, und die mit der Zeit einmal Eure Nachfolger auf dem Throne des Ostens werden, worauf sie, als von christlichen Eltern entsprossen, wohl den Samen des christlichen Glaubens hier in diesen Landen aussäen, um unsere heilige Religion als ein wucherndes Unkraut auszujäten.«
Der König, der Tamulia wie seine eigene Seele liebte, wurde zwar durch diese mit teuflischer Schlauheit auf ihn berechneten Worte nach und nach mit dem glühendsten Argwohn erfüllt; dennoch aber wollte er nicht eher seine Rache nehmen, als bis er sich durch den eignen Augenschein selbst überzeugt hätte, daß er dazu berechtigt sei. Er entgegnete: »Ich werde fortan, Zelimo, wie du mir es rätst, mit offenen Augen schauen und den Treubrüchigen, wie er es verdient, bestrafen, sobald ich ihn für schuldig erkennen muß. Finde ich dagegen, daß du ihn unschuldigerweise bezichtigtest, wie ich dies denn um der Wohltaten willen, die dir Lamprino erwiesen, noch unmöglich glauben kann, so gedenke ich, an dir ein Beispiel für andere zu stiften, wie unendlich hassenswert das Laster der Undankbarkeit in meinen Augen ist.«
»So mag es geschehen, mein Gebieter«, sprach Zelimo, indem er entlassen wurde.
Von nun an hegte der König die Schlange der Eifersucht in seinem Busen und sah alles Tun und Lassen Lamprinos und Tamulias mit ebenso befangenen als vorher mit unbefangenen Augen an, und es konnte daher nicht fehlen, daß sich ihm die falsche Anklage bald in seiner eignen Überzeugung bestätigte. Er ging eines Tages im geheimen zu Zelimo und sprach zu ihm, dem diese Nachricht die angenehmste wurde, die er noch im ganzen Verlaufe seines Lebens vernommen, womit er also bewies, daß der Samen des Argwohns in keinen fruchtbareren Boden als in das
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