Italienische Novellen, Band 3
Herz eines leidenschaftlich liebenden Mannes fallen kann: »Ich habe deine Worte zu mir in betreff Lamprinos geprüft, Zelimo, und für wahr erkannt. Und obwohl ich weiß, daß Tamulias Ehrbarkeit ihr nimmer gestatten würde, sich einem anderen Manne als mir hinzugeben, so sehe ich doch dagegen ein, daß Lamprinos Vertraulichkeit mit ihr aus keinem anderen Grunde als aus einem unzüchtigen Verlangen nach dem Besitze ihrer Schönheit entspringen kann. Ich werde deshalb seinem frechen Unterfangen beizeiten Einhalt tun, und um ihm zu zeigen, daß ich ebensowohl den Verrat zu strafen, als die Treue zu lohnen weiß, will ich, daß der Verbrecher, weil er eben nicht würdig ist, durch Menschenhände zu sterben, von wilden Tieren zerrissen werde.«
Selim hielt in einer abgelegenen tiefen Grube eine Menge Löwen und anderer wilden Tiere, an denen er jedesmal, wenn er sie zum Kampfe zusammenlassen wollte, großes Gefallen fand. Einer gewissen Anzahl Wärter lag die sorgfältigste Aufsicht über diese Bestien ob. Er ließ nunmehr einen solchen vor sich rufen und sprach zu ihm: »Ich werde dir diesen Abend einen Boten zusenden, der dich in meinem Namen fragen wird, ob du mein Gebot vollzogen habest? Sobald du diese Worte von ihm vernimmst, gebiete ich dir, daß du ihn greifen und den Löwen zur Speise vorwerfen läßt, ohne dich irgend daran zu kehren, was er dir vielleicht dagegen sagen mag, und wenngleich du ihn für einen meiner vornehmsten Diener erkennen solltest.«
Der Wärter sagte ihm die pünktlichste Befolgung dieses Auftrages zu und entfernte sich, der Ankunft des verheißenen Boten daheim gewärtig. Selim ließ hiernächst Lamprino zu sich kommen, gebot ihm, zu dem Löwenwärter nach der Grube zu gehen und ihn zu fragen, ob er das Gebot des Königs vollzogen habe? Und Lamprino leistete dem alsobald, wenn auch zweifelhaften Sinnes, Folge, da es ihm doch seltsam bedünken wollte, nachdem er von dem Könige erst so hoch erhoben worden, jetzt zu einem Menschen so geringen Standes als Bote entsendet zu werden. Unterwegs von Furcht überkommen, daß ihm ein Unglück bevorstehen möchte, ging er, als schon der Abend dämmerte, von der Straße abseits in ein Gebüsch, das ihm zur Rechten lag, warf sich auf seine Knie nieder und betete, seine Augen zum Himmel aufschlagend und das Herz seinem Erlöser zuwendend, inbrünstig: »Du weißt, o Herr, daß es nur meine Gebrechlichkeit allein verschuldete, wenn ich, mich äußerlich zu dem falschen Glauben Mohammeds bekennend, deine heiligen Gebote übertrat. Es ist mir dein Name dennoch mit unverlöschlichen Zügen in mein Herz eingegraben geblieben, und ich habe dich immerdar im Geiste und in der Wahrheit angebetet. Darum bitte ich dich, daß, wofern dieser mir zuteil gewordene Auftrag meines Gebieters mir Nachteil oder Verderben bringen sollte, du, mein Gott, meine eigene Unwürdigkeit nicht ansehen, sondern mich davon erretten und mir die Mittel und Wege zeigen wollest, wie ich meine Freiheit aus diesem Joche des mohammedanischen Unglaubens wiedererlangen kann, um dir sodann ebenso offenkundig wie jetzt geheim zu dienen.«
Nach diesem Gebete machte er das Zeichen des Kreuzes und lenkte seine Schritte nach dem Orte hin, wo die Löwen aufbewahrt wurden.
Zelimo war in dem Gemache des Königs gegenwärtig gewesen, als dieser dem Löwenwärter jenen Auftrag gegeben hatte, und hatte ihn also vollständig mit angehört. Da sich nun seiner Ungeduld die Stunde, in der er die Gewißheit vom Tode des ihm so verhaßten Lamprino erlangen würde, ins Unendliche zu verzögern schien, so machte er sich, sobald derselbe den verhängnisvollen Gang angetreten hatte, im stillen ebenfalls auf den Weg, um Lamprinos Tod mitanzusehen. Hier veranstaltete jedoch die göttliche Gerechtigkeit, daß infolge eben des Aufenthaltes, den Lamprinos Wanderung durch sein Gebet in dem Gebüsche erlitten hatte, Zelimo vor ihm bei der Löwengrube eintraf.
Der Verräter sah schon von weitem am Eingange der Grube den Wärter stehen, der des Opfers harrte, welches der König durch ihn dem entsetzlichen Tode weihen wollte. Als er ihm nahe gekommen war, trat er höhnisch lächelnd mit der Frage auf ihn zu, ob er das Gebot des Königs schon vollzogen habe?
Der Wärter hatte ihn aber nicht so bald ins Auge gefaßt und seine Frage vernommen, so hielt er sich für überzeugt, daß es Zelimo sei, dem der Auftrag seines Gebieters gälte, und ließ ihn daher durch seine bereitstehenden Knechte ergreifen und ihm die Kleider
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