Italienische Novellen, Band 3
auf den Balkon geschickt war, um irgendwelche Kundschaft einzuziehen. Mit einem ganz grimmigen Lächeln sagte sie: »Andriana! (–So hieß nämlich die Magd.–) Sagt mir doch, wie viele Herren habt Ihr, und wie viele Männer hat Eure Frau Candida?«
Die Magd sagte ebenfalls lachend, wiewohl mit hochrotem Gesichte: »Ich habe einen einzigen Herrn, das ist der Herr Doktor, der einzige Mann meiner Frau, bis es einmal Mode wird, daß eine Frau mehr als einen Mann nimmt.«
»Ihr täuscht Euch, Schwester«, versetzte Donna Anna. »Eure Gebieterin führt diese Mode ein, ehe es ihr gezeigt wird, denn sie hat einen Mann auswärts und einen in ihrem Zimmer, vielleicht im Bette.«
Andriana versetzte: »Ich weiß, daß Euer Gnaden solches zum Scherze redet, denn in anderem Falle würde ich das Leben einsetzen für die Ehre meiner Herrin. Nichtsdestoweniger sind diese Dinge so zarter Natur, daß, wer klug ist, auch im Scherze sich dergleichen Äußerungen enthalten sollte. Aber ich will mich entfernen, denn ich möchte nicht die Rücksichten vergessen, die ich Euer Gnaden schuldig bin. Ergebenste Dienerin!«
»Schämt Euch, liebe Andriana«, entgegnete Donna Anna, »von Ehre zu sprechen vor jemand, der alle Schande Eures Hauses kennt! Geht in das Schlafzimmer! Der Graf Foresto ruft Euch. Es ist in der Tat ein schönes Bürschchen, er verdient Eure Liebe; allein Ihr solltet mit etwas mehr Schamhaftigkeit zu Werke gehen.«
Während Donna Anna dieses sagte, stand der Graf hinter einem andern Fenster neben Donna Candida, die mit Tränen in den Augen zu ihm sagte: »Seht, lieber Schatz, wie es mir um Euretwillen ergeht!«
Der Graf antwortete nichts, sondern öffnete das Fenster und sprach mit gedämpfter Stimme: »Frau Anna, mäßigt gefälligst Eure Leidenschaft und sprecht keine Dinge aus, die eine so edle Frau wie Eure Freundin entehren! Meint Ihr nicht, die andern können auch tun, was Ihr getan habt?«
Donna Anna konnte sich nun nicht mehr halten und ließ allen Schmähworten freien Lauf, wie sie einem zornigen, rachsüchtigen Munde entströmen können. In dieser Not, da dem Grafen die Geduld ausging über solcher Schmach und er merkte, daß seine Worte zu ihrer Beschwichtigung nicht viel halfen, nahm er einige Quitten, die zufällig in der Nähe lagen, und nötigte mit diesen Donna Anna, sich zurückzuziehen, ohne jedoch darum aufzuhören, ihr die Scheiben zu zerbrechen und sie mit Schmähungen und Drohworten zu überhäufen. Da er sich übrigens doch nicht vom Doktor antreffen lassen wollte, verabschiedete er sich und hinterließ in Übereinstimmung mit Donna Candida für alle möglichen Fälle zweckmäßige Anordnungen.
Donna Anna dagegen wartete voll Wut, bis der Doktor nach Hause käme; denn da es ihr freundlicher Gevatter war, wollte sie sich seiner bedienen, um sich doppelt zu rächen. Als die Mägde ihn von ferne bemerkten, ließ sie ihn zu sich in ihr Zimmer einladen und sagte zu ihm: »Herr Gevatter, die Gunst, die Ihr immer diesem Hause erwiesen habt, verpflichtet mich zu allen Beweisen der Dankbarkeit, die einem edelgeborenen Herzen geziemen. Da ich sah, wie man Eurer Ehre nachstellte, wollte ich Euch warnen, damit Ihr die Mittel ergreifen möget, die Euch am geeignetsten scheinen. Diesen ganzen Morgen ist der Graf Foresto bei Eurer Frau gewesen; und da ich Euch zuliebe mich darüber etwas ausließ, überhäuften sie mich beiderseits mit tausendfacher Schmach.«
Der Doktor ließ Donna Anna gar nicht weiterreden, sondern ging voll Grimms in größter Eile nach Hause, so daß in ihrem Herzen die feste Überzeugung sich bildete, er werde irgendwie zu einer äußersten Maßregel schreiten. Der Doktor kam nach Hause und fragte, ehe er sich vor seiner Frau sehen ließ, alle Diener, ob der Graf Foresto ihn diesen Morgen habe besuchen wollen. Alle antworteten gemäß der gleichförmigen Anweisung einmütig, sie hätten ihn diesen Morgen nicht gesehen. Dieselbe Antwort gab ihm Andriana. Er war daher bei sich beruhigt und ging zu seiner Frau, zu der er sagte, wenn ihn nicht seine gewohnte Vorsicht geleitet hätte, würde er in Gefahr gekommen sein, einen sehr großen Fehltritt zu begehen. Darauf erzählte er ihr alles ausführlich. Donna Candida geriet darob in Wut und bat und weinte so heftig, daß der Doktor sicher glaubte, es sei eine Verleumdung von Donna Anna, und es kam ihm der Gedanke, dies mit ihrem Tode zu bestrafen. Er nahm einen bloßen Dolch, steckte ihn in sein Gewand und trat in das Haus Donna Annas.
Weitere Kostenlose Bücher