Italienische Novellen, Band 3
liefen damit an den Palast, bedrohten Crudarte selbst in aufrührerischem Geschrei und riefen: »Tod dem Tyrannen, Tod dem Tyrannen!«
Er verrammelte sich indessen in seinen innersten Gemächern mit seinen Getreuesten; aber der Lärm wuchs von einem Moment zum andern, und sie ließen nicht nach, sondern machten mit lauter Stimme, um den Haß gegen ihn noch zu erhöhen, seine früheren Schändlichkeiten bekannt. In dieser äußersten Not beriet er sich mit den Seinigen über den Ursprung dieser drohenden Gefahr und entschloß sich Sogleich einige Trabanten hinzuschicken, um Agisulf, den ersten Anlaß dieses Aufruhrs, zu töten und seine Leiche dem Volke zu zeigen. Wenn dann die Hoffnung geschwunden wäre, ihn wiederzubekommen und sich ihn geneigt zu machen, würde sich die Masse entsetzt von diesem Schauspiel zurückziehen. Während man nun diese grausame Maßregel ins Werk setzte, wurde Crudarte von den Empörern dahin gedrängt, über sein eigenes Los sogleich zu beschließen. Er sah sich nun im letzten Gemache belagert, und es war für ihn keine Hoffnung auf Errettung mehr vorhanden. Bald wollte er nun sich selbst ums Leben bringen, bald aus dem Fenster springen, bald sich unter die Feinde stürzen und, nachdem er Rache genommen, sterben. Aber mitten in der Unentschlossenheit über die Todesart verschob er das Sterben, zu milderen Gesinnungen sich wendend, und entschloß sich zu dem Versuche, die Zornglühenden womöglich dadurch zu versöhnen, daß er das Reich verlasse. Er machte den Vorschlag, erhielt die Genehmigung und führte ihn aus ohne Verzug; er begab sich an die geweihte Klippe, um sein Leben unter Druiden der Göttin Tomiris zu beschließen.
Der unglückliche Agisulf aber war, von den Meuchelmördern überfallen, eben auf dem Punkte erstochen zu werden, wäre nicht das Volk wütend eingedrungen und hätte ihn, ehe er noch verletzt wurde, aus ihrer Hand befreit. Als sie ihn so gerettet sahen, erfüllten sie die Luft mit rauschendem Jubel und führten ihn in die von Crudarte verlassenen Gemächer, wo sie ihm als ihrem Herrscher Treue gelobten.
Alle diese Vorfälle wurden den beiden Königinnen gemeldet, und sie waren sehr getröstet, sich und das Reich von der Tyrannei Crudartes befreit zu sehen. Ganz frohen Sinnes begaben sie sich in den Königspalast und bewunderten unter dem allgemeinen Beifall die Freundlichkeit, Bescheidenheit und den Ernst Agisulfs. Das zuvor mit ihm gehabte Mitleid verwandelte sich auf eine rätselhafte Weise durch eine unsichtbare Macht in Liebe, und diese wünschte ihn zum Eidam, jene zum Gemahl zu bekommen.
Hier bändigte also der Himmel das Grausame der Konstellation, um Agisulf zu beglücken, und damit auf ihn die Freude gedoppelt ströme, rief er zur Verschwörung mit sich die zwei leuchtenden Fixsterne, die in dem Gesichte Rosmondas leuchteten und die freundlich darin kreisend ihn das höchste Glück der Liebe und der Herrschaft genießen ließen. In dieser vortrefflichen Stimmung des Volkes, Agisulfs und Rosmondas zögerten sie nicht, mit königlicher Pracht die Feier ihrer Hochzeit zu begehen, infolge deren sie hernach lange als glückliche Gatten lebten und eine edle, liebenswürdige Nachkommenschaft erzielten. Bei seiner Vermählung mit Rosmonda war er vom Volk zum König ausgerufen worden.
Dieses heitere Ende nahm die Geschichte des Dichterkönigs. Leider nur, meine Herren, daß es eine Fabel ist, denn wie könnte man etwas Fabelhafteres ersinnen als einen Volksauflauf, der an sich immer so ärger lieh ist, und der zum Frommen der Tugend ausschlägt, und einen Dichter, den das Geschick immer zum Unglück bestimmt hat, und der hier dazu gelangt, das Glück eines Königs zu schmecken?
Carlo Vassalli
Die eifersüchtigen Nachbarinnen
Der Graf Paolo Colonna, ein durch Abkunft und Verdienst angesehener Ritter, beschloß, die Heimat zu verlassen, um den Feindschaften zu entgehen, die ihn zu fortwährender Aufregung an Leib und Seele veranlaßten. Er verfügte sich daher mit seiner Gemahlin Donna Anna nach Padua; er war eingenommen für die Schönheit der Stadt, die gesunde Luft, die Artigkeit der Bürger und die Pracht der Hochschule und bezog ein Haus, das seinem nicht gewöhnlichen Reichtum entsprach. Er konnte aber nicht lange den Beschlüssen des Himmels entgehen: der Unglückliche ward von seinen Feinden auch dahin verfolgt, und zwei Pistolenschüsse streckten ihn kläglich zu Boden an seiner eigenen Tür. Donna Anna bezeigte so heftige Trauer über den Tod ihres
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