Italienische Novellen, Band 3
Sie und die Mägde, die freilich alles andere erwarteten, hatten ihn beobachtet; sie ließen ihn mit dem Dolche in der Hand bis halb die Treppe heraufkommen; dort aber kamen sie ihm mit einem so heftigen Prügelregen entgegen, daß er, von Natur ein furchtsamer Hase, ganz den Dolch, den er in der Hand hielt, vergaß und sich genötigt sah, sein Heil in der Flucht zu suchen. In seinem Hause kamen ihm seine Frau und die Diener entgegen, und er sagte in stolzem Tone, er habe gezeigt, wie man die Verleumdung züchtigen müsse; an Donna Anna werden schlechte Personen fortan ein Exempel haben und sich erst wohl bedenken, ehe sie Lügen ersinnen zum Nachteile des guten Namens von Ehrenmännern. So betrog sich der Doktor selbst und veranlaßte seine Frau, in Zukunft mit aller Ungezwungenheit ihre Liebeshändel zu betreiben, die ja ihr Gemahl nimmermehr geglaubt hätte.
Lorenzo Graf Magalotti
1637 – 1712
Verwechslungen
Die Novelle der Neifile war jetzt zu Ende, und die Königin gab Fiammetta Befehl anzufangen. Diese biß sich etwas auf die hochroten Lippen und begann mit weiblicher Bescheidenheit und Anmut also: Liebste Frauen, oftmals wird die List von der List verspottet, und darum ist es unverständig, wenn man Freude daran hat, andere zu verspotten. Wie es nun allen Leuten geziemt, sich hiervor zu hüten, so ist es vornehmlich Pflicht derjenigen, welche den Fuß auf den Vogelleim der Liebe gebracht haben, sintemal es ihnen viel leichter wird, da gefangen zu werden, wo die Fittiche des freien Verstandes nicht mehr spielen können. Zur Unterweisung unserer jungen Männer hier (wenn nämlich alle, wie ich glaube, verliebt sind) habe ich daher die Absicht, euch eine Posse zu erzählen, welche in Florenz einem jungen Ritter gespielt wurde, dessen Namen ich jedoch so wenig als die andern, die in meiner Novelle vorkommen, obschon ich sie weiß, zu nennen beabsichtige, weil einige von den Leuten noch leben, denn man würde sie sonst mit Geringschätzung überhäufen, während man mit Lachen darüber hinweggehen sollte. Ich werde daher gewissermaßen das Gegenteil von dem tun, was die Maler tun, indem sie die alte Geschichte darstellen, die oft den Leibern Verstorbener die Köpfe von Lebenden aufsetzen; ich werde das Treiben lebender und rüstiger Personen euch vorführen, aber ihnen erdichtete Namen beilegen.
In Florenz also lebte vor nicht eben langer Zeit eine junge Frau von gar schönem Äußern und liebenswürdig, doch von stolzer Gesinnung, obwohl die Tochter eines armen Vaters. Sie hieß Rosana und war an einen Wollkrempler verheiratet. Obgleich sie mit eigenen Armen das Brot erwerben mußte, das sie essen wollte, und mit Wollspinnen ihr Leben erhielt, so weckte doch ihr hochfahrendes Wesen in ihrem stolzen Sinne einen Gedanken, durch einen edeln Liebhaber sich zu den bessern Ständen emporzuschwingen und so zu ersetzen, was ihr das Schicksal neidisch versagt habe. Sie nahm sich daher vor, den Umarmungen ihres Gatten, soweit es möglich wäre, sich zu entziehen und statt dessen zu ihrer Befriedigung sich selbst einen zu wählen, der ihr mehr als der Wollkrempler ihrer höchsten Gunst würdig schien. So warf sie ein Auge auf einen jungen Mann von den Amerighi, namens Antenor, der lange in Bologna studiert hatte und dann nach Florenz zurückgekehrt war, nicht um nachher sein Wissen im einzelnen zu verkaufen, wie viele tun, sondern um den Grund der Dinge zu erkennen und ihre Ursache, was einem wahrhaft Edeln so wohl ansteht. Diesen also, weil es ein sehr liebenswürdiger, einnehmender und lebenslustiger Mensch war, war sie fest entschlossen zu ihrem Liebhaber zu erwählen. Sie machte sich daher mit einer alten Nachbarin bekannt, die zwar von allen für eine Heilige gehalten wurde, in Wirklichkeit aber sich vortrefflich und auf nichts besser als auf die Kupplerkunst verstand, vertraute ihr ihre Absicht an und bat sie, all ihre Kunst anzuwenden, um Antenor zu ködern und für ihre Liebe zu gewinnen. Die gute Frau versprach alles Gute, und sie wolle tun und sagen, was sie könne, fügte auch bei, Rosana hätte sich gegen niemand in der Welt entdecken können, der ihr nützlicher zu sein vermöchte als sie; denn nichts sei so glatt und schlüpfrig, an das sie sich nicht anzuklammern wagte, nichts so rauh und ungeschliffen, das sie nicht mürbe machte und ihrem Willen fügte. Am Ende erinnerte sie sie, daß sie ein armes Weib und höchst bedürftig sei, worauf ihr Rosana ein Stück gesalzenes Fleisch schenkte und sie ihrer
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